An der vhs Bochum haben sich Teilnehmende des zweiten Bildungswegs mit ihren Träumen und Wünschen beschäftigt. Welche Visionen haben die Welt bisher verändert? Wie lassen sich diese in Taten umsetzen? Mit digitalen Methoden setzten sich die jungen Menschen mit ihren Lebenszielen auseinander und zeigten Handlungsmöglichkeiten auf. Als Abschluss ist ein gemeinsames Video (Öffnet in einem neuen Tab) mit dem Titel "Getrennt und doch Gemeinsam" entstanden.
Das Projektteam von der vhs Bochum berichtet über Herausforderungen und Chancen durch die Corona-Pandemie.
Im letzten Semester haben Sie Schülerinnen und Schüler im Rahmen des SchulabschlussPLUS dazu eingeladen, zu träumen. Um was ging es bei Ihrer Veranstaltung „I have a dream – Träume und Visionen verändern die Welt"?
An der Veranstaltung haben circa 20 Teilnehmende des zweiten Bildungswegs mit unterschiedlichen Bildungsständen, Erfahrungen, Sprachen, Kulturen und Religionen teilgenommen und sich durch eine globale Betrachtung mit zwei großen Blöcken auseinandergesetzt: In einem ersten Schritt haben sie sich mit Menschen beschäftigt, die in der weiteren oder jüngeren Vergangenheit mit ihren Träumen und Visionen die Welt nachhaltig positiv verändert haben. Anschließend wurden Träume und Visionen durch die Teilnehmenden selbst entwickelt. Ganz unter dem Motto: Was möchten sie wie in der Zukunft (ab jetzt) in der globalen Welt nachhaltig positiv verändern?
Ein Kriterium des Globalen Lernens ist es, mit abwechslungsreichen Methoden zu arbeiten. Wie sind Sie methodisch vorgegangen?
Dazu möchte ich Ihnen gerne zwei Methodenbeispiele geben. Zum ersten Themenblock sollten die Teilnehmenden allein oder in Kleingruppen Menschen suchen, die die Kriterien erfüllen (Vision oder Traum, nachhaltige positive Veränderung der Welt, wie und wo sind sie heute noch sichtbar?) und die das Interesse der Teilnehmenden wecken. Dies gestaltete sich als nicht einfach. Die Teilnehmenden haben dazu umfangreiche Recherchen über das Internet durchgeführt und in größeren Gruppen (vor Corona) intensiv diskutiert, um „geeignete“ Kandidat*innen zu finden. Daran schloss sich Arbeit mit einem standardisierten Fragebogen zu den gewählten Visionären an. Dann, in der durch Corona bedingten Phase des Cloud-Unterrichts, bekamen die Teilnehmenden die Aufgabe, eine eigene Vision zu entwickeln. Hier haben sich die Teilnehmenden über die Cloud rege ausgetauscht, Ideen gesammelt, konkretisiert, manchmal wieder verworfen. Es formten sich aber in den Chats sehr konkrete Visionen einzelner Teilnehmenden. Diese sind damit in Kreativarbeit gegangen und haben ihre Verbesserungs-Visionen mit konkreten Schritten zur Umsetzung verknüpft. Daraus haben sie für sich eine Darstellungsform für das gemeinschaftlich geplante Video entwickelt und quasi ein Mini-Drehbuch für ihre Szene geschrieben. Diese wurde dann später live gedreht.
Die Erfahrungsdimensionen des Globalen Lernens (Kopf, Herz, Hand) wurden ebenfalls berücksichtigt. In der Abschlusspräsentation benannten die Jugendlichen konkrete eigene Handlungsmöglichkeiten, die wirklich und realistisch in die Tat umzusetzen sind. In dieser wurden die Ergebnisse der Projektarbeit auch in Zeiten von Corona für eingeladene Gäste präsentiert und weitergetragen. Bestehende Ungerechtigkeiten wurden angeprangert (Kinderarbeit, wirtschaftliche Ausbeutung), herrschender Egoismus in seinen Folgen dargestellt (Müll - was interessiert mich die Umwelt), das Leiden anderer Wesen (am Beispiel der Tiere) spürbar gemacht. Eindeutig wurde der Fokus auf eine Welt ohne Rassismus und ohne Ungleichbehandlung gelegt. Und die Teilnehmenden nahmen für sich auch die Erkenntnis mit, dass Konsumverzicht gar nicht wehtut.
Beim abschließenden Rundgang durch die Ausstellung "SchulabschlussPLUS - von Bochum um die Welt" zeigte sich einmal mehr, dass es sich lohnt, den jungen Menschen diese zweite Chance zum Erwerb eines Schulabschlusses an der Volkshochschule zu eröffnen.
Sie mussten aufgrund von Corona die Veranstaltung ins Digitale verlegen. Was waren hierbei Herausforderungen und was ist Ihnen besonders gut gelungen?
Auch im Rahmen der Projekte zu den Themen des Globalen Lernens wurde in der vhs.cloud, als zentrale Plattform mit virtuellen Kursräumen für Lehrkräfte und Teilnehmende gearbeitet. Die Möglichkeit, ihre Ergebnisse in Form eines Videos vorzustellen, entsprach den Interessen der Teilnehmenden und den Möglichkeiten des Online-Unterrichts; getreu dem Motto „Getrennt und doch gemeinsam“. Das Ergebnis war und ist eine eindringliche, intensive und nachhaltige Auseinandersetzung mit der Thematik und eine pointierte, nachdrücklich wirksame Präsentation durch das erstellte Video (Öffnet in einem neuen Tab).
Die Herausforderung dabei war, dass wir nicht im gemeinsamen Plenum in Präsenz sprechen konnten, sondern alles aufschreiben mussten. Dies war z.T. sehr aufwändig, zumal die Teilnehmenden nicht alle mit einem PC ausgerüstet sind, sondern mit ihrem Smartphone arbeiten mussten.
Trotz Distanz ist uns toll gelungen, ein gemeinsames Video zu drehen, in dem alle Teilnehmenden ganz individuell ihre nachhaltigen globalen Ideen präsentieren konnten und die Kreativität von allen voll ausgelebt wurde.
Inwiefern verbinden Träume und Visionen globale Zusammenhänge und lokales Handeln?
Wir leben in einer globalisierten Welt; keiner kann mehr wirklich ohne große Veränderungen und ohne die anderen Menschen leben. Wir sind alle eng miteinander verknüpft – sichtbar oder unsichtbar, spürbar oder nur vermutet, auf Augenhöhe oder in einem deutlichen Missverhältnis. Das bedeutet, dass unsere Träume und Visionen, welche das auch sein mögen, immer globalen Bezug haben. Keine Entscheidung steht mehr für sich isoliert allein im Raum, sondern hat globale Auswirkungen. Also ist es erforderlich, diese Zusammenhänge, diese Ketten, zu kennen, damit wir die Auswirkungen unseres lokalen Handelns begreifen.
Welche Tipps haben Sie an Kolleg*innen aus anderen vhs, die eine Veranstaltung zu diesem Themengebiet planen?
- Aktuelles Thema auswählen, welches die Lebenswelt der Teilnehmenden trifft
- Leitlinien festlegen, also Zielrichtung, Zeit, Geld, Format
- Offenheit lassen für die Interessen und die Kreativität der Teilnehmenden
- Widerstände zulassen und integrieren
Inwiefern sind die Themen globaler Nachhaltigkeit auch über diese Veranstaltung hinaus Thema an Ihrer Volkshochschule?
Seit 2010 führt der Fachbereich SchulabschlussPLUS der vhs Bochum Projekte zum Thema "Globales Lernen" durch; somit sind diese zum integraler Bestandteil des Angebots des Zweiten Bildungswegs geworden.
Das Globale Lernen so, wie wir es praktizieren, eröffnet den jungen Menschen die Chance, sich auszuprobieren und damit auch einen Raum, die eigenen Stärken und Möglichkeiten noch einmal neu kennen zu lernen. Dadurch dass es darum geht, mit anderen zusammen zu forschen und kreative Lösungen zu finden, erleben die Jugendlichen, die teils aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen oder sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, dass sie ihren Beitrag leisten und das auch können. Es ist immer wieder toll, die Überraschung zu sehen, wenn Verbindungen zwischen Fragen wie Klimawandel, die so weit weg erscheinen, auf einmal unmittelbar greifbar werden und etwas mit dem eigenen Leben zu tun bekommen! Viele Materialien sind für Jugendliche in einer komplett anderen Lebenssituation konzipiert worden. Für das Globale Lernen ist es aber entscheidend, die Themen mit Methoden zu bearbeiten, die den Teilnehmenden gerecht werden.
Wichtig ist uns aber immer der Bezug zu den Inhalten aus dem „normalen“ Unterricht, die so noch einmal anders eingeordnet und konkretisiert werden können. Es funktioniert aber auch in die andere Richtung: Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Projekten können im Unterricht genutzt werden und helfen, die Bedeutung von Themen zu erkennen.
Diese Arbeit hat somit eine Wirkung weit über die vhs hinaus: Bei der Nachhaltigkeitstagung war die Volkshochschule Bochum mit Teilnehmenden im Landtag, weil wir mit unserem Projekt den Bezirk Arnsberg im Rahmen der letzten Kampagne „Schule der Zukunft“ repräsentiert haben. Wir werden eingeladen, aktiv an Veranstaltungen wie der interkulturellen Woche in Bochum oder der Bochumer Demokratiekonferenz im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" teilzunehmen.
Haben Sie bereits Ideen für weitere Veranstaltungen zum Themengebiet des Globalen Lernens?
Zurzeit arbeiten wir mit Teilnehmenden an aktuellen Informations-Themen, angelehnt an die Problematik des Datenschutzes. Es geht wieder um globale Zusammenhänge, und zwar um
- Ich habe keine Geheimnisse – von mir kann man alles wissen
- Deine Informationen sind mein Geschäft – Was ich über dich kaufen kann
Vielen Dank für das Interview!
Das Projektteam der vhs Bochum besteht aus Elke Dietinger, Fachbereichsleitung Schulabschlüsse, Ute Vielhaber-Jesse, Projektleitung im Fachbereich SchulabschlussPlus/Grundbildung und Angelika Pöppel, Referentin der Kurse.
September 2020