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Deutscher Volkshochschul-Verband

Kulturelle Bildung fördert den Zusammenhalt

Dieser Projektbericht stammt aus der vergangenen Förderphase (2018-2022) von "Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung". Es sind daher konzeptionelle Abweichungen im Vergleich zur aktuellen Förderrichtlinie möglich.

Die Volkshochschule des Kreises Offenbach (kvhs Offenbach) kann man beim talentCAMPus als alten Hasen bezeichnen: seit 2013 führt sie mit ihren Partnern in der lokalen Bildungslandschaft von Dietzenbach am Rande von Frankfurt niedrigschwellige Projekte der kulturellen Bildung durch. In den Oster- und Herbstferien nehmen jeweils 24 Kinder zwischen neun und dreizehn Jahren teil. Der talentCAMPus ist ein Teil der Bemühungen, Angebote in den sozialen Brennpunkten zu etablieren. Das städtische Bildungshaus im Spessartviertel hat hierbei eine zentrale Bedeutung. Petra Lück ist zuständig für die talentCAMPus-Projekte der vhs Kreis Offenbach und zudem Leiterin der vhs Dietzenbach e.V.

Petra Lück führte mit ihren Bündnispartnern viele talentCAMPus-Projekte an der kvhs Offenbach durch.

Frau Lück, Ihre Volkshochschule setzt nun schon viele Jahre talentCAMPus-Projekte mit lokalen Partnern um. Was macht Ihre Zusammenarbeit aus?

Kontakte zwischen dem Bildungshaus und der Volkshochschule Dietzenbach e.V. bestanden schon. So war bereits ein Vertrauen geschaffen und die Türen für die Zusammenarbeit mit der vhs Kreis Offenbach standen offen. Die Leiterin des Bildungshauses konnte ich schnell begeistern, weil das Konzept des talentCAMPus einfach gut passt. Wir gestalten die Projekte gemeinsam in einem Bündnis, von der Konzeption bis zur Umsetzung. Jeder trägt aus seinem Bereich etwas bei. Die Zielgruppe können wir so viel besser erreichen. Ehrenamtliche und Betreuer*innen gewinnen ist gemeinsam auch leichter. Und wir bringen die pädagogischen Erfahrungen aus mehreren Bereichen und die Kenntnisse zum Sozialraum gut zusammen.

Viele Betreuer*innen sind im Stadtteil aufgewachsen und kennen sich gut aus. Manche stehen selbst noch am Anfang ihres beruflichen Werdeganges, weil sie soziale Arbeit oder auf Lehramt studieren. Sie werden mit Kursleitungen zusammengebracht, die einen eher kulturellen Hintergrund haben, weil sie beispielsweise aus dem Theater kommen, Gitarrenlehrer, Kunst- oder Literaturpädagogen sind. Wichtig ist uns, dass sich Betreuer*innen und Kursleiter*innen auf Augenhöhe begegnen und ihre jeweiligen Kompetenzen und Erfahrungshintergründe anerkennen.

Wie sieht bei Ihnen denn ein typischer talentCAMPus aus, wenn man von so etwas sprechen kann?

Das kann man durchaus. Wir orientieren uns an einem ähnlichen Rahmen, den wir kontinuierlich anpassen. Am Beispiel des Projektes „Geschichten einer außergewöhnlichen Freundschaft“ kann ich das gut darstellen. Die Idee war, mit den Kindern ein Buch zu lesen und damit die Freude am Lesen zu fördern, den Wortschatz zu erweitern und die Kinder zu ermutigen, die Geschichten nachzuerzählen – fernab vom schulischen Lernumfeld.

In einem Brainstorming aller Akteure (Betreuer*innen, Kursleiter*innen, Kooperationspartner) haben wir überlegt, welche kulturellen Komponenten eingebunden werden können. Zentral sind dabei die Fragen: Welche Kompetenzen bringen die Betreuer*innen bereits mit? Wofür können wir die Kinder begeistern? Und können die Kinder später in ihrer Freizeit etwas damit anfangen?

Wir wecken das Interesse an Neuem, nutzen einfache Materialien und schnell zu lernende Verfahren. Diese mischen wir in jedem Projekt zu einem Blumenstrauß an unterschiedlichen Angeboten. In diesem Projekt zum Beispiel schrieben die Kinder Gedichte, erzählten Geschichten nach, gestalteten ein Buchcover, drehten mit dem Handy einen Trailer, bastelten ein Sand- und ein Schattentheater. Die Vorlesestunde in der Mittagspause brachte Ruhe, bevor die Bewegungsphase im Freien stattfand.

Also sind es eher die kleinen Dinge, mit denen Sie die Kinder begeistern?

Es sind die kleinen Dinge, die groß sind. Ja, es steht nicht ein hochkultureller Anspruch im Vordergrund, denn – das finde ich viel wichtiger – wir wollen ihre Begeisterung wecken und sie sollen etwas Neues entdecken. Ein Sandtheater ist letztlich ein Teller mit Sand und gesammelten Materialien wie Steinen oder Stöckchen. Darauf können Geschichten wie auf einer Bühne nachgespielt werden. Das kann jeder zu Hause selbst nachmachen und damit auch das eigene Repertoire an Erzähltechniken weiterentwickeln. Kinder berichteten, dass sie zu Hause  kleineren Geschwistern die Geschichte nachgespielt haben.

Wie erreichen Sie die Kinder, die an Ihren Projekten teilnehmen?

Ganz klar: nicht über Presseartikel und das vhs-Programmheft. Bei der Zielgruppendefinition der Richtlinie müssen sie einfach gezielt angesprochen werden. Wir erreichen sie über die Hausaufgabenhilfen an den Grundschulen und auch die Schulsozialarbeit der weiterführenden Schulen laden gezielt ein. Dabei bauten wir auf bestehende Kontakte auf. Außerdem findet im Bildungshaus jeden Sonntag ein Kidstreff statt, bei dem wir auch werben. Wir suchen gezielt Kinder, in denen wir Potential und Begeisterungsfähigkeit sehen und gleichermaßen einen Förderbedarf.

Es gehen meist bis zu fünfzig Anmeldungen ein, oft mit einer kurzen Notiz der vermittelnden Stelle zum Bedarf. Die Auswahl erfolgt dann durch das Betreuer-Team. Oft wird Rücksprache im Netzwerk gehalten. Kinder, die in Notunterkünften leben, deren Eltern oder Geschwister erkrankt sind oder die eine schwierige familiäre Situation erleben, werden bevorzugt aufgenommen. Andere Kinder können maximal zweimal an einem talentCAMPus teilnehmen. Manchmal fühlt sich dies etwas hart an, aber wir möchten möglichst viele Kinder erreichen, haben aber begrenzte Ressourcen – 24 Teilnehmende ist für uns ein guter Kompromiss.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den Eltern?

Da werden meine Erwartungen leider oft enttäuscht. Die Eltern interessieren sich nicht alle im gleichen Maße für die talentCAMPus-Projekte, an denen ihre Kinder teilnehmen. Wir haben etwas gegengesteuert. Am zweiten Projekttag sollen die Eltern ihre Kinder abholen. Dadurch wurde der Kontakt etwas besser. Ein talentCAMPus kann die Kinder fördern, aber familiäre Strukturen nicht verändern. Wenn Eltern nicht mitwirken – auch an der Abschlussveranstaltung nicht teilnehmen – bleibt nur, den Kindern im Projekt Anerkennung zu geben. Dass das wichtig ist, erleben wir jedes Mal, wenn die Kinder aufgeregt und ungeduldig kaum erwarten können, ihre Ergebnisse aus dem talentCAMPus vorzustellen und Selbstgestaltetes voller Stolz mit nach Hause zu nehmen.

Was wünschen Sie für die Zukunft?

Dass noch viele talentCAMPus-Projekte stattfinden, in denen die Zielgruppe erreicht wird – hier im Kreis Offenbach, aber auch anderorts. In den talentCAMPus-Projekten werden die Kinder in ihrer Selbstwahrnehmung gestärkt und können so ihre Stärken erkennen, sie gewinnen Selbstvertrauen und lernen mit ihren Begabungen umzugehen. Insbesondere für Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien bietet der talentCAMPus einen Rahmen, der im schulischen Alltag nicht immer gegeben werden kann.

Allen Akteuren wünsche ich Gelassenheit und Kreativität – das sind die Garanten für gelingende Projekte – und dass ihr Engagement mit begeisterten Kinderaugen belohnt wird.

Das Interview wurde im September 2019 schriftlich geführt (Mi.Ke.)

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