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Deutscher Volkshochschul-Verband

ANDERS! Theaterfabrik in Wilhelmshaven

Wer bin ich? Wie sehen mich andere? Wer steht am Rand der Gesellschaft und warum? Was ist gleich und was ist anders – und spielt das überhaupt eine Rolle? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die 10- bis 13-jährigen Teilnehmenden der „theaterfabrik|9“ unter dem Titel „Anders!“ im April 2019 in Wilhelmshaven.

von Katharina Reinhold

Künstlerische Workshops mit gesellschaftspolitischen Inhalten

In drei parallel stattfindenden Workshops setzten sich die insgesamt 48 Kinder und Jugendlichen mithilfe von verschiedenen künstlerischen Mitteln mit dem Thema „Anders!“ auseinander. Dabei tauchten sie ein in eine Vielfalt von Lebensgeschichten und -entwürfen und in fremde Gedankenwelten ein. Sie wagten einen Schritt ins Unbekannte, spürten Vorurteile und Gemeinsamkeiten auf und nutzten unterschiedliche kreative Methoden: Bewegung, Maskenspiel, Theater, Tanz und das Medium Radio. Eine vierte Gruppe arbeitete an der Dokumentation und setzte sich kritisch mit der Darstellung gesellschaftlicher Randgruppen in den Medien auseinander. Der Austausch der Workshopleiter*innen, der Betreuer*innen und der Teilnehmer*innen in den gemeinsamen Pausen und während des Mittagessens führte zu einer engen Verzahnung der verschiedenen Workshops.

Die Themen Pluralismus, Populismus und Toleranz spielten in allen Workshops eine wichtige Rolle. Wir konnten im Verlauf der Woche beobachten, wie sich der gedankliche Horizont der Kinder erweiterte und wie sie ins Nachdenken und in die Selbstreflexion über das Anders-Sein, Unterschiede und Gemeinsamkeiten kamen.

Tim Tjettmers, vhs Wilhelmshaven

Die Teilnehmer*innen des Radio-Workshops interviewten zum Beispiel Menschen, die zu marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen gehören – etwa Obdachlose oder Transgender-Personen. Im Workshop „Theater und Spiel” setzten die Jugendlichen sich kritisch mit dem Thema „Mensch: Müll und Möglichkeiten“ auseinander und besuchten zu Recherchezwecken den Recyclinghof Wilhelmshaven. Mit Dingen, die andere Menschen weggeworfen haben, wurde kreativ gearbeitet und eine Bühnenkulisse geschaffen. Am letzten Tag fand eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse vor Familien, Freunden, interessierten Bürger*innen und Pressevertreter*innen statt. Der Ansatz der Dozent*innen war, der scheinbar eingefahrenen Welt, in der Menschen, die „anders“ sind, ausgegrenzt werden, Kreativität und neue Ideen entgegenzusetzen. 

Wir wollen Kinder und Jugendliche ermutigen, nachzufragen und Offenheit und die Lust an Neuem zu entwickeln. Wir wollen sie darin bestärken, aktiv zu werden, umzudenken und Utopien zu entwickeln.

Tim Tjettmers, vhs Wilhelmshaven

Bildungsangebot für eine nicht-privilegierte Zielgruppe

Die Theaterfabrik findet in Kooperation mit der Grundschule Rheinstraße in Wilhelmshaven und in deren Räumlichkeiten statt. Die Schule liegt in einem nicht-privilegierten, multikulturell geprägten Stadtteil. Die Teilnehmer*innen sind oder waren zum größten Teil Schüler*innen dieser Schule. Viele von ihnen kommen aus Familien mit Migrationsgeschichte. Die künstlerischen Zugänge ermöglichen es auch Kindern mit geringeren deutschen Sprachkenntnissen, sich auszudrücken und ihr Können zu zeigen, beispielsweise in Form von Tanz oder darstellendem Spiel.

Ältere Jugendliche als zusätzliche Betreuende

Einige ältere Jugendliche, die in den vorherigen Jahren selbst an den Theaterfabrik-Workshops teilgenommen hatten, kamen in diesem Jahr als zusätzliche Betreuungspersonen in den Workshops zum Einsatz und unterstützten die Dozent*innen. Dies wurde von allen Seiten als große Bereicherung empfunden und soll bei Folgeprojekten wiederholt und etabliert werden.

Positives Fazit

Durch die Arbeit mit professionellen Theaterkünstler*innen, den Einsatz unterschiedlicher theatralischer Mittel und die Förderung von Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten finden die Kinder und Jugendlichen auf ganz andere Weise Zugänge zu Inhalten, die ihnen im Schulunterricht möglicherweise eher sperrig erscheinen. „Die Kombination von kultureller und politischer Bildung hat viel Potenzial für die Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen. Sie kann eine starke Waffe sein gegen Vorurteile, Hass, Bevormundung und Stagnation“, sagt Tim Tjettmers. Viele Teilnehmer*innen nehmen mehrere Jahre hintereinander an den Workshops der Theaterfabrik teil – ein klares Zeichen dafür, wie gut ihnen das Angebot gefällt.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

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