Inhalt anspringen

„Freiheit hinter Gittern" – Junge Stimmen für Demokratie und Mitbestimmung

Inhaftierte Jugendliche diskutieren über Demokratie, Drogenpolitik und Freiheit – und entdecken dabei ihre eigene Stimme. Das Projekt „Freiheit hinter Gittern“ der vhs Rupertiwinkel beweist: Politische Bildung kann Grenzen überwinden und Zukunft gestalten.

von Andreas Lindner (Kursleiter)

In einer Zeit, in der antidemokratische Stimmen lauter werden, Kriege und Krisen weltweit zunehmen und der gesellschaftliche Zusammen­halt auf dem Prüfstand steht, zeigt ein besonderes Projekt der vhs Rupertiwinkel (Öffnet in einem neuen Tab) in der JVA Laufen-Lebenau, was politische Bildung wirklich bewirken kann: Verstehen, Mitreden, Verantwortung übernehmen – auch dort, wo junge Menschen mit schwieriger Vergangenheit neue Wege suchen.

Zum sechsten Mal fand unter der Leitung des Sozialarbeiters Andreas Lindner ein mehrtägiger Demokratie-Workshop mit jungen Inhaftierten statt. Acht Jugendliche nahmen erfolgreich teil – acht individuelle Geschichten, Haltungen und Hoffnungen, die sich in einem einzigen Wort bündeln: FREIHEIT.

Demokratie als Weg aus der Sprachlosigkeit

„Ich wusste vorher nicht, was Politik überhaupt ist“, gesteht einer der Teilnehmer mit dem Buchstaben E, „jetzt weiß ich, dass sie unser Leben jeden Tag beeinflusst.“ Genau darum ging es: Politik verständlich und greifbar machen. Was bedeutet Demokratie? Was hat das mit mir zu tun? Welche Rechte habe ich – und welche Verantwortung?

„Demokratie ist, wenn man mitentscheiden kann. Das ist besser als irgendwo, wo einfach jemand bestimmt – wie z.B. in Afghanistan“, sagt der junge Mann mit dem Buchstaben T. Für ihn ist klar: Wählen zu dürfen ist nicht nur ein Recht, sondern eine Chance. Auch der Teilnehmer mit dem Buchstaben R betont, dass Selbstbestimmung ein zentraler Wert sei. Demokratie sei wichtig, sagt er, weil sie „entscheidet, wie Menschen leben“. Worte, die zeigen, wie stark das politische Bewusstsein während des Kurses gewachsen ist.

Drogenpolitik – ein selbstgewähltes Schwerpunktthema

Im zweiten Teil des Workshops entschieden die Jugendlichen demo­kratisch über ein Vertiefungsthema: Die Wahl fiel auf Drogenpolitik. „Weil es uns alle betrifft“, wie der Jugendliche mit dem I sagt. Viele hätten eigene Erfahrungen mit Drogen gemacht oder im Umfeld erlebt, wie Drogen Leben zerstören. Deshalb wollten sie verstehen: Wie sieht Drogenpolitik in anderen Ländern aus? Was bringt Entkrimi­nalisierung? Wie funktioniert Prävention?

„Wir haben über andere Länder geredet, über Regeln und wie man besser damit umgehen kann“, berichtet der Teilnehmer mit dem Buchstaben H. Es ging nicht darum, einfache Antworten zu finden, sondern um Differenzierung, Information und Perspektiven.

Kunst als Ausdruck – Freiheit in Bildern

Neben den Diskussionen und Übungen zur Demokratiearbeit wurde auch kreativ gearbeitet: Die Jugendlichen gestalteten nicht nur die Plakate mit dem Wort FREIHEIT, sondern setzten sich auch foto­grafisch mit ihrer Lebensrealität auseinander. Die künstlerischen Aufnahmen – Nahaufnahmen von Händen, symbolische Stillleben – erzählen vom Eingesperrt Sein, vom Wunsch nach Verbindung, und vom Streben nach Veränderung.

Aus diesen Werken soll eine Wanderausstellung entstehen. Geplant ist, die selbstgestalteten Plakate gemeinsam mit großformatigen Foto-Prints und ausgewählten Zitaten aus den Inter­views öffentlich zu zeigen – als bewegende Einblicke in die Gedanken­welt junger Inhaftierter. Langfristig könnte die Ausstellung auch im Eingangs- oder Besucher­bereich der JVA Laufen-Lebenau einen dauerhaften Platz finden – ein starkes Zeichen für Dialog, Teilhabe und neue Perspektiven.

Freiheit – zwischen Wunsch und Erfahrung

Freiheit – ein großes Wort, das für jeden etwas anderes bedeutet. Für den Jugendlichen mit dem Buchstaben F heißt es: „Dass man selbst entscheiden kann, was richtig oder falsch ist.“ Für den Teilnehmer mit dem zweiten I bedeutet es, „nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf frei zu sein“.

Manche assoziieren Freiheit direkt mit ihrer aktuellen Situation: „Freiheit ist, wenn man aus dem Knast rauskommt und sein Leben in den Griff bekommt“, sagt der Träger des Buchstaben T. Ausbildung machen, Geld verdienen, Verantwortung übernehmen – ein Neuanfang. Die Gespräche über Freiheit führten automatisch zu Fragen nach Menschenrechten, Gerechtigkeit, aber auch nach Schuld, Veränderung und Zukunft. Für viele war es das erste Mal, dass sie sich mit solchen Fragen bewusst auseinandergesetzt haben.

Erkenntnisse, Verantwortung und Hoffnung

Was bleibt, ist mehr als nur Wissen: Es sind neue Blickwinkel. „Ich weiß jetzt, dass jeder Mensch Rechte hat – und dass die nicht einfach so da sind, sondern erkämpft wurden“, sagt der Jugendliche mit dem ersten E.

Viele nehmen auch eine klare Botschaft für ihr weiteres Leben mit. Der Teilnehmer mit dem zweiten E will nach der Entlassung „nicht wieder zurück ins Alte“. Fast alle möchten auch anderen jungen Menschen etwas mitgeben. Der Träger des Buchstabens I sagt es direkt: „Nicht auf Kriminelles reinfallen. Besser früh einen anderen Weg suchen.“.

Das Projekt zeigt: Demokratiebildung kann auch unter schwierigen Bedingungen Wurzeln schlagen – und Hoffnung wecken.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • vhs Rupertiwinkel
  • vhs Rupertiwinkel

Werkzeuge