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Leere Ausbildungsplätze vs. leere Zukunft? Berufsvorbereitung hilft!

An der vhs Meppen bekommen junge Leute in schwieriger Lage ihre Chance

Es ist ein Moment, auf den die Schüler*innen lange gewartet haben: der letzte Schultag – das Zeugnis liegt in der Hand, der Applaus verhallt, und plötzlich steht den Jugendlichen die ganze Welt offen. So heißt es jedenfalls.

Klar ist: Von den jungen Absolvent*innen werden Zukunftsentscheidungen erwartet. Beginne ich eine Ausbildung oder ein Studium? Mache ich als erstes ein FSJ, um Zeit zu gewinnen und herauszufinden, was ich möchte? Oder will ich per Work and Travel etwas von der Welt sehen?  Die einen wissen, was sie wollen. Die anderen nicht: kein klarer Plan, kein Ziel, nur ein vages Gefühl, dass jetzt etwas passieren muss. Für viele junge Menschen beginnt keine neue Etappe, sondern eine Zeit der Unsicherheit – ein Schwebezustand zwischen Warten und Weitermachen.

Wenn Perspektive fehlt

„Und was willst du jetzt machen?“ ertönt es bei jedem Abendessen mit den Eltern. Zwischen Erwartungen, Möglichkeiten und der Angst, sich falsch zu entscheiden, verlieren sich viele im Nebel der Optionen. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung findet sich rund die Hälfte der befragten Jugendlichen in der Flut der Informationen zur Berufswahl nur schwer zurecht. Und das zeigt sich auch anhand der vielen unbesetzten Ausbildungsplätze. 

Eine ergänzende Untersuchung der Stiftung zeigt: In Deutschland gelingt fast der Hälfte der Jugendlichen (57 %) nach der Schule kein direkter und dauerhafter Einstieg in Ausbildung oder Studium. Vier Jahre später hat rund jeder siebte junge Mensch noch immer keinen Berufsabschluss – viele brechen ab oder finden erst gar keinen Ausbildungsplatz. Und je länger der geregelte Tagesablauf und ein klares Ziel fehlt, desto schwieriger wird es auch einen Einstieg in die Berufswelt zu finden. Umso größer wird auch der innere und äußere Druck, der auf den jungen Menschen lastet. 

Für den wachsenden Anteil der jungen Leute, die nach der Schulzeit keinen Anschluss finden, hat sich bereits ein Begriff etabliert: „NEET“ steht als Akronym für junge Menschen die „Not in Employment, Education or Training“ sind – also weder in Beruf oder Bildungswesen noch in Ausbildung. Dabei geht aus einer Bundesweiten Befragung hervor : Viele dieser jungen Leute wären in der Lage, direkt eine Ausbildung zu beginnen. Woran scheitert es also? Auch hier ist man sich einig: Es fehlt an individueller Unterstützung. 

Berufsorientierung und Berufsvorbereitung spielen daher eine zentrale Rolle – und Volkshochschulen können als Brücken fungieren, auch für junge Leute in besonders schwieriger Lage.

Blick auf die Räumlichkeiten der Jugendwerkstatt.

Ein Ort der Sicherheit: die Jugendwerkstatt Meppen

In Meppen zeigt sich eine andere Seite. Hier geht es nicht nur um Berufsorientierung, sondern auch um Selbstvertrauen, einen strukturierten Alltag und die Rückkehr in ein Leben, das (wieder) Richtung bekommt. „Viele unserer Jugendlichen hatten nie eine feste Konstante in ihrem Leben“, erzählt Stephanie Wessels, Projektkoordinatorin und seit sieben Jahren Teil des Jugendwerkstatt-Teams. „Manche sind fast obdachlos, manche ohne Halt von den Eltern. Hier erleben sie zum ersten Mal Stabilität – jemanden, der nachfragt, wo sie bleiben, der sie abholt, wenn sie nicht kommen.“

Das kleine Team besteht aus sechs Mitarbeitenden, nur einer von ihnen arbeitet in Vollzeit. Trotzdem betreuen sie jährlich rund 40 junge Menschen. Der monatliche Höchststand liegt bei 24 Teilnehmenden – mehr ist nicht zu schaffen, denn viele benötigen intensive, teilweise Eins-zu-eins-Betreuung. Manche kommen freiwillig, sie kennen die Jugendwerkstatt über Freunde oder die Jugendberufshilfe, andere werden vermittelt. Einige werden vom Jobcenter in die Jugendwerkstatt geschickt, weil sie ins Bürgergeld gerutscht sind, andere schickt das Jobcenter oder das Jugendamt. Wie auch immer sie zur Jugendwerkstatt gelangen – wichtig ist die innere Motivation. Sie ist Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter*innen der Jugendwerkstatt etwas bewirken können.

Stephanie Wessels nennt verschiedene Gründe, weshalb es bei den jungen Menschen oft nicht auf Anhieb mit Ausbildung oder Studium klappt: schwierige Familienverhältnisse oder psychische Erkrankungen, manchmal führt auch Überforderung in der Schule zu Gleichgültigkeit. „Die Schule kann diese vielen verschiedenen Probleme auch gar nicht auffangen. Und wenn Jugendliche keine sichere Zukunft haben, führt das auch zu Hoffnungslosigkeit.“

In der Jugendwerkstatt übernehmen die Teilnehmenden unterschiedlichste Aufgaben.

Schritt für Schritt in den Arbeitsalltag

Der Einstieg in die Jugendwerkstatt wird möglichst einfach gestaltet. Schritt für Schritt folgen dann Jobcoaching, Kompetenztests, Praktika und, im besten Fall, eine Ausbildung oder der Weg zurück in die Schule. Wenn eine Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit gelingt, endet die Begleitung durch die Jugendwerkstatt nicht vom einen auf den anderen Tag: Die Mitarbeitenden halten Kontakt, fragen nach, wie es läuft – und ob sich die jungen Menschen wirklich wohlfühlen. Offiziell ist für diese „Nachsorge“ ein Zeitraum von drei Monaten vorgesehen, doch das Team in Meppen hat ihn auf ein halbes Jahr verlängert. Stephanie Wessels und ihre Kolleg*innen wollen sicherstellen, dass niemand sich plötzlich alleingelassen oder gar abgeschoben fühlt. 

In der Jugendwerkstatt werden die Jugendlichen auch ans Arbeiten herangeführt. Mitarbeiter*innen mit Meisterausbildung leiten sie an. Die Teilnehmer*innen arbeiten zum Beispiel im hauseigenen Kiosk der vhs, oder kochen das Mittagessen für die Jugendwerkstatt. „Sie übernehmen Arbeiten, die auch wirklich anfallen und erledigt werden müssen,“ betont Stephanie Wessels. Zuletzt werkten die Jugendlichen eine Sitzbank für die Initiative „Omas gegen rechts“, jetzt legen sie auf dem nahegelegenen Biobauernhof einen Naturlehrpfad an. Auch mit dem Nabu und dem lokalen Imkerverein arbeitet die Jugendwerkstatt zusammen.

Ausbildungsmarkt und junge Menschen im Wandel

Doch nicht alles läuft reibungslos. Früher lag die Vermittlungsquote bei etwa 50 Prozent, jetzt nur noch bei 20 bis 30 Prozent. „Es wird immer gesagt, es fehlen so viele Handwerker, doch bei Bewerbungen gibt es oft gar keine Rückmeldung oder keine Bereitschaft, eine Ausbildung überhaupt anzubieten,“ beobachtet Stephanie Wessels. Viele Betriebe würden heutzutage mit Personal aus der Familie der Inhaber*in laufen,  oder sie hätten nicht die notwendigen Ressourcen, um Zeit und Geld in Auszubildende zu investieren. Auch lasse sich ein Wandel bei den Jugendlichen erkennen: Die Bereitschaft zu harter körperlicher Arbeit und das Durchhaltevermögen würden nachlassen. Doch auch auf dem Ausbildungsmarkt müsse sich etwas tun, erklärt Stephanie Wessels: Die Betriebe müssten geschult werden, beispielsweise auch mit jungen Menschen zu arbeiten, die nicht so gut Deutsch können oder vom Wesen her zurückhaltender sind, was manchmal vorschnell als Desinteresse gedeutet wird.

Wenn Hilfe wirkt

Andere Erfahrungen stimmen Stephanie Wessels optimistisch.  Häufig kommen ehemalige Teilnehmende zu Besuch – mit Blumen und Erfolgsgeschichten. Ein Fall ist Stephanie Wessels besonders in Erinnerung geblieben. Eines Tages wurde der Jugendwerkstatt ein junger Mann aus Syrien geschickt, der nicht nur stark mit der deutschen Sprache, sondern auch mit traumatischen Fluchterfahrungen zu kämpfen hatte. Depressive Tendenzen zeigten sich auch in körperlichen Symptomen. Doch schnell erwies sich sein handwerkliches Talent und er verlor nie sein Ziel aus den Augen: Geld zu verdienen, um seine Familie in der Heimat zu unterstützen. Schritt für Schritt half ihm das Team, psychische Belastungen und Traumata zu bewältigen, eine eigene Wohnung zu finden und wieder Vertrauen in sich selbst zu fassen. Nebenbei vermittelte die Jugendwerkstatt noch den Kontakt zum Meppener JugendArbeit-Center JAM, wo der musikaffine junge Mann seine Fluchterfahrungen im Tonstudio verarbeiten konnte.  Schließlich konnte er ein Praktikum in einer Tischlerei beginnen ─ und überzeugte dort: Nach drei Wochen wurde ihm eine Festanstellung angeboten. 

Die Jugendwerkstatt der vhs Meppen gibt den Jugendlichen kein Ziel vor, sie gibt ihnen erst einmal Zeit. Es lohnt sich.


Weitere Praxisbeispiele vom #zukunftsort_vhs

Über die Storytelling-Kampagne

#zukunftsort_vhs: Zusammen in die Arbeitswelt von morgen!

Spannende Aufgaben, mehr Verantwortung und viel weniger Routine: Diese Vorteile haben Menschen in einer digitalisierten Arbeitswelt, in der mehr und mehr mechanische Verrichtungen von Robotern erledigt werden. Menschen übernehmen auf allen Ebenen im Unternehmen das, was Intuition und Empathie erfordert. Selbstbestimmtes und kreatives Arbeiten ist nicht mehr das Privileg der höheren Etagen. Hierarchien am Arbeitsplatz werden flacher, Arbeitsprozesse geschmeidiger, und der gegenseitige Respekt wächst, wenn gute Ideen unabhängig von Profil und Stellung ihrer Urheber*innen leicht den Weg durch alle Schleusen im Betrieb finden. Kollektive Intelligenz wird zur kritischen Masse für die Entstehung neuer Produkte und die Entwicklung kluger Strategien. 

Arbeit könnte also in Zukunft weit mehr Menschen weit mehr Chancen auf Selbstverwirklichung bieten. Das bringt aber auch neue Herausforderungen, insbesondere an die Flexibilität und Belastbarkeit jede*r Einzelnen. Und: Um von den Vorteilen der agilen Arbeitswelt profitieren zu können, müssen wir alle dazulernen. Dabei reicht es nicht, technologisches Know-how zu erwerben. Immer stärker gefragt sind überfachliche Kompetenzen: die Fähigkeit, Probleme selbständig zu lösen, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, gute Zusammenarbeit in interkulturellen Teams – und natürlich Sicherheit im Umgang mit digitalen Tools, Daten und Information. Der Ort, um diese Future Skills zu erwerben, ist die Volkshochschule. In rund 850 Städten und Gemeinden von Aurich bis Zwickau bringt die vhs Menschen voran. 

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