Die Volkshochschule Koblenz blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits seit 1963 bietet sie Vorbereitungskurse für das Nachholen von Schulabschlüssen an. Bis heute konnten rund 1.200 Menschen mit Hilfe dieses Angebots erfolgreich ihren Schulabschluss nachholen und konnten dadurch ihre persönlichen und beruflichen Perspektiven entscheidend verbessern.
Lernen auf Basis von Freiwilligkeit und Eigenmotivation
Jährlich organisieren die Volkshochschulen in Rheinland-Pfalz etwa 60 Kurse, um Menschen eine weitere Chance auf einen Schulabschluss zu ermöglichen. Dies ist auch dringend notwendig, denn allein in Koblenz scheitern rund 7 % der Schüler*innen an ihrem Hauptschulabschluss. Somit ermöglicht die vhs Koblenz den Kursteilnehmenden nicht nur bessere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt, sondern bewahrt viele Menschen auch vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Die Zielgruppen der Kurse sind vielfältig. Meist sind die Teilnehmenden jedoch junge Erwachsene im Alter von 20 bis 25 Jahren, wobei etwa die Hälfte der Lernenden einen Migrationshintergrund aufweist. Dort wo es beim ersten Bildungsweg, beispielsweise auch aufgrund von Sprachbarrieren, scheiterte, setzt die vhs Koblenz an und trägt somit auch einen großen Teil zu einer erfolgreichen Integration bei.
„Die Atmosphäre ist eine ganz andere als in der Schule“, beschreibt die vhs-Leiterin Nicole Kuprian, die gleichzeitig auch den Fachbereich Schulabschlüsse leitet, die Dynamik in den Kursen. Hier können die Teilnehmenden auf Basis von Freiwilligkeit und Eigenmotivation lernen. Viele hätten in ihrer Schulzeit schlechte Erfahrungen gemacht und entdeckten nun in der vhs eine ganz neue Lernumgebung, die von Freundschaftlichkeit und gegenseitigem Respekt geprägt sei. Die Arbeit mit den Kursteilnehmenden ist somit auch eine große Chance, ihnen einen anderen Blick auf das Lernen und die Bildung zu ermöglichen. Nicole Kuprian beobachtet, wie hochmotivierte Schüler*innen die anderen mitziehen, Freundschaften entstehen und die Teilnehmenden sich auch untereinander über ihre beruflichen Ziele und Wünsche austauschen. Dieses positive Klima macht sich auch bei der Erfolgsquote bemerkbar: zwischen 90 % und 100 % der Teilnehmenden bestehen ihre Abschlussprüfung!
Zwischen Erfolg und Hürden
Trotz dieser großen Erfolge kämpfen die Volkshochschulen immer wieder mit einigen Schwierigkeiten. Während zur Gründungszeit der Kurse zum Nachholen von Schulabschlüssen noch drei Abschlüsse (Hauptschulabschluss/Berufsreife, Sekundarabschluss und Abitur) angeboten wurden, kann die vhs Koblenz, aufgrund von Sparmaßnahmen und Personalmangel, heute nur noch den Sekundarabschluss anbieten. Dabei erreichen Nicole Kuprian regelmäßig telefonische Anfragen mit Wünschen nach weiteren Angeboten. Der Bedarf ist da, doch die finanziellen Ressourcen fehlen. Und auch der Mangel an qualifizierten Lehrkräften hat sich im Laufe der Jahre leider zu einem Dauerproblem entwickelt. „Seit Jahrzehnten hat sich an der Bezahlung nichts geändert“, betont Kuprian dabei. Auch die Abhängigkeit von der kommunalen Finanzierung erweist sich als Belastung: zu wenig Planungssicherheit, zu viel Bürokratie. Ein festes Finanzierungsmodell seitens des Landes wäre nach Ansicht von Kuprian dringend notwendig, um die Programme dauerhaft zu sichern.
Zusätzlich macht sich ein gesellschaftlicher Wandel bemerkbar: Immer mehr Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss. Die Ursachen sind vielfältig, doch immer wieder zeigt sich: Chronischer Lehrermangel führt zu fehlender individueller Förderung. Auch Sprachbarrieren durch Zuwanderung erschweren so manchen Schüler*innen den ersten Bildungsweg. Die vhs Koblenz versucht auch hier gegenzusteuern, etwa mit rund 40 Sprachfördergruppen, aber hier fehlen ebenfalls die Ressourcen. Insgesamt ist die vhs sehr dankbar für die bereits bestehende Förderung des Landes Rheinland-Pfalz, die ihre wichtige Arbeit ermöglicht. Doch diese reicht leider bei weitem nicht aus, um die hohe Nachfrage zu decken. Nicole Kuprian bemerkt dabei, dass die Bildungspolitik allgemein sehr unterfinanziert sei und auch die nötige Unterstützung fehle. „Es müssen bessere Rahmenbedingungen geschaffen und langfristigere Entscheidungen geplant werden.“
Dankbarkeit und Momente des Stolzes
Trotz aller Hürden gibt es bewegende Erlebnisse, die vor Augen führen, wofür sich die harte Arbeit lohnt. Besonders eindrucksvoll sind die Zeugnisübergaben, bei denen die vhs-Leiterin stets anwesend ist. „Es ist ein besonderer Moment, den Stolz in den Augen der Absolventinnen und Absolventen zu sehen“, sagt sie. Dieses wichtige Ereignis für die Teilnehmenden solle auch dementsprechend gewürdigt werden. Woran Kuprian sich besonders positiv erinnert, ist die Zeugnisübergabe im Landtag. Dieser Moment mit den Schüler*innen und Landtagspräsident Joachim Mertens sei einmalig gewesen.
Eine kleine, aber erfreuliche weitere Unterstützung kommt vom Förderverein der vhs Koblenz. Dieser rief auch den Herrmann-Wedell-Preis ins Leben. Benannt nach dem ersten vhs-Direktor, soll dieser Preis an Einrichtungen verliehen werden, die sich intensiv für die Erwachsenenbildung einsetzen. Zu den Preisträgern zählt mitunter auch der Zweite Bildungsweg an der vhs Koblenz. Bei Nicole Kuprian hat die Preisverleihung besonderen Eindruck hinterlassen – denn dabei erschienen sogar ehemalige Schüler*innen von vor 10 bis 15 Jahren, die von ihrem erfolgreichen Berufsleben berichteten und ihre Dankbarkeit ausdrückten.
Erwachsenenbildung als Fundament
Die Arbeit der Volkshochschule Koblenz verdeutlicht, dass Erwachsenenbildung unverzichtbar ist. Sie ermöglicht zweite Chancen, wo der erste Bildungsweg scheiterte. Sie trägt dazu bei, soziale Integration und berufliche Perspektiven zu schaffen. In einer Zeit, in der Abschlüsse immer stärker über die Zukunft junger Menschen entscheiden, ist die vhs für viele ein Rettungsanker. Dies ist auch ein Appell an die Politik, die nötigen Strukturen und Mittel bereitzustellen. Denn lebenslanges Lernen ist längst keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit für eine funktionierende Gesellschaft.
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Arbeit könnte also in Zukunft weit mehr Menschen weit mehr Chancen auf Selbstverwirklichung bieten. Das bringt aber auch neue Herausforderungen, insbesondere an die Flexibilität und Belastbarkeit jede*r Einzelnen. Und: Um von den Vorteilen der agilen Arbeitswelt profitieren zu können, müssen wir alle dazulernen. Dabei reicht es nicht, technologisches Know-how zu erwerben. Immer stärker gefragt sind überfachliche Kompetenzen: die Fähigkeit, Probleme selbständig zu lösen, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, gute Zusammenarbeit in interkulturellen Teams – und natürlich Sicherheit im Umgang mit digitalen Tools, Daten und Information. Der Ort, um diese Future Skills zu erwerben, ist die Volkshochschule. In rund 850 Städten und Gemeinden von Aurich bis Zwickau bringt die vhs Menschen voran.
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