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Deutscher Volkshochschul-Verband

„Bund und Länder brauchen Volkshochschulen als starke Partner“

Bundesministerin Karliczek will die Weiterbildung stärken.

Seit 14. März 2018 leitet Anja Karliczek als Ministerin das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Im Interview mit dis.kurs spricht sie über die Rolle der Volkshochschulen bei der Etablierung einer neuen Weiterbildungskultur und die Herausforderungen der Digitalisierung.

Was macht Volkshochschulen stark?

Anja Karliczek: In der Tat konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass die Volkshochschulen in unseren Städten und Gemeinden eine engagierte Arbeit leisten und unermüdlichen Einsatz für das Gemeinwesen – für bessere Bildung, für ein ganzheitliches Verständnis von Bildung und für die Förderung von Bildungsbiographien zeigen. Bei neuen Initiativen von Bund und Ländern in der Bildung brauchen wir die Volkshochschulen als starke Partner. Ich bin davon überzeugt, dass die vhs auch weiterhin die Kraft und notwendigen Ideen finden, sich den neuen Anforderungen immer wieder zu stellen. Denn sie werden getragen von engagierten professionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von zahlreichen Unterstützern aus Gesellschaft und Wirtschaft.

Wie lässt sich eine neue Weiterbildungskultur in Deutschland etablieren?

Zunächst müssen wir uns darauf verständigen, was wir unter einer neuen Weiterbildungskultur verstehen wollen. Angesichts des technologischen Wandels und der demografischen Entwicklung sind Qualifikation und Kompetenzentwicklung einem immer schnelleren Veränderungsprozess unterzogen. Die Bereitschaft umzulernen bzw. sich neues Wissen anzueignen, wird in unserem Leben zukünftig eine noch wichtigere Rolle einnehmen und kann ein elementarer Standortvorteil für unser Land sein.

Deshalb muss Lernen im Lebenslauf zu einem selbstverständlichen Baustein der Gestaltung individueller Bildungs- und Erwerbsbiographien werden und prägend für die neue Weiterbildungskultur werden. Hier nehmen formale und non-formale Weiterbildung sowie auch informelles Lernen einen hohen Stellenwert ein. Dafür bedarf es der Schaffung institutioneller und organisatorischer Rahmenbedingungen sowie der Bereitstellung finanzieller Mittel. Das ist die Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden wie auch der Wirtschaft entsprechend ihrer jeweiligen Verantwortung. Deutschland hat alle Chancen, die Veränderungen durch Digitalisierung für sozialen Fortschritt zu nutzen. Entscheidend wird dabei sein, allen Menschen lebensbegleitendes Lernen zu ermöglichen.

In welchen Feldern sehen Sie die Weiterbildung am stärksten gefordert?

Den vielfältigen und sich rasch wandelnden Anforderungen an Weiterbildung kann am besten durch eine Struktur entsprochen werden, die durch Pluralität und Wettbewerb der Träger und Angebote gekennzeichnet ist. Für die Teilnahme an einer Weiterbildung ist die Freiwilligkeit stets der leitende Grundsatz. Das erfordert Transparenz in diesem Markt, die oftmals fehlt. Hier sollen Beratungsangebote ansetzen, die aber bisher noch nicht ausreichend wirken.

Die Attraktivität der beruflichen Bildung und der beruflichen Fortbildung muss weiter erhöht, finanzielle Hemmnisse für berufliche Aufsteigerinnen und Aufsteiger bei der Entscheidung für eine höherqualifizierende Berufsbildung beseitigt und die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulen gesteigert werden. Anstelle nur eines Karriereschrittes wollen wir künftig gestufte Karrierewege schaffen und durch finanzielle Förderung attraktiv machen.

In einer immer stärker durch die Digitalisierung geprägten Arbeitswelt verändern sich Arbeitsplätze, Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen. Digitale Kompetenzen sind grundlegend für den beruflichen Erfolg. Die berufliche Aus- und Weiterbildung muss konsequent darauf ausgerichtet werden, digitale Fähigkeiten zu vermitteln.

Darüber hinaus muss die wissenschaftliche Weiterbildung gestärkt werden. Sie trägt maßgeblich dazu bei, die Kompetenzbasis für wissensintensive Innovationen und somit die Grundlage für die Innovationsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschlands sicherzustellen.

Das Bildungssystem, aber auch deutsche Unternehmen und der deutsche Arbeitsmarkt legen Wert auf formalisierte Zertifikate. Rund zwei Millionen Menschen haben in Deutschland aber keinen formalen Berufsabschluss. Viele von ihnen haben sich jedoch durch längere Berufstätigkeit Kompetenzen angeeignet, deren Verwertbarkeit und Anschlussfähigkeit wir durch ein allgemein anerkanntes System der Anerkennung ermöglichen wollen.

Wie können Volkshochschulen den Erwerb von Digitalkompetenzen unterstützen?

Mit dem Erwerb von digitalen Kompetenzen finden mündige Bürgerinnen und Bürger ihren Platz in der digitalisierten Lebens- und Arbeitswelt. Sie müssen den digitalen Wandel nicht einfach nur „mitmachen“, sondern aktiv gestalten. So wird digitale Bildung die Voraussetzung für ein erfolgreiches Agieren in der privaten wie in der beruflichen Lebenswelt.

Mit ihrem Leitprinzip der „Bildung für alle“ ist die Volkshochschule ein wichtiger Ankerpunkt, denn hier kommen Menschen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Wissensständen zusammen. In dem neuen, digitalen Bildungsprozess kann die Volkshochschule eine wichtige Moderationsrolle einnehmen, indem sie Menschen, Wissen und Erfahrungen zusammenbringt sowie selbst Angebote macht, die den Menschen helfen, den Anforderungen am Arbeitsplatz, aber vor allem den alltäglichen digitalen Herausforderungen zu begegnen.

So wird zum Beispiel die neue vhs.cloud es zukünftig allen Volkshochschulen möglich machen, sich in ganz Deutschland untereinander zu vernetzen und ihre Erfahrungen sowie Lernformate miteinander auszutauschen. Ich finde, die Volkshochschulen sind hier auf einem guten Weg.

Was sind die entscheidenden Komponenten einer nationalen Weiterbildungsstrategie?

Mit der Verständigung auf eine Nationale Weiterbildungsstrategie trägt die neue Bundesregierung dem Bedeutungszuwachs von lebensbegleitendem Lernen und Weiterbildung Rechnung. Für mich liegen die entscheidenden Komponenten darin, alle Akteure des Weiterbildungsgeschehens zusammenzubringen, die Arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Instrumente enger zu verzahnen, Weiterbildungsprogramme des Bundes und der Länder zu bündeln und bedarfsgerecht auszurichten sowie eine neue Weiterbildungskultur zu etablieren, in der Weiterbildungsberatung einen festen Platz hat.

Ich ermutige Volkshochschulen dazu, sich aktiv in den Diskussionsprozess einbringen. Die Volkshochschulen können in einer nationalen Weiterbildungsstrategie mit ihren Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen, denn wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, bei der alle ihren Beitrag leisten. Und wir brauchen nicht zuletzt Programme, die das lebensbegleitende Lernen mit Leben erfüllen.

Die Volkshochschulen haben beispielsweise mit dem Internetportal „ich-will-lernen.de“ ein gutes Instrument erarbeitet, um Lernwilligen auch durch niedrigschwellige Angebote den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Weiterbildung für alle – darin haben die Volkshochschulen einen langjährigen Erfahrungsschatz, sie tragen mit ihrem großen Engagement und Fachwissen wesentlich zur Umsetzung unserer gemeinsamen Weiterbildungsziele bei.

Inwieweit wird die Weiterbildung im neuen Nationalen Bildungsrat eingebunden sein?

Der Nationale Bildungsrat soll Empfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung des Bildungswesens erarbeiten, insbesondere zu gesamtstaatlich relevanten Themen wie Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit. Grundlage der Arbeit bildet dabei die empirische Bildungs- und Wissenschaftsforschung. Für mich geht es dabei um die ganze Bildungsbiografie eines Menschen – von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung brauchen wir erfolgreiche Strategien für ein lebenslanges Lernen.

Das Interview erschien in dis.kurs - das Magazin der Volkshochschulen, Ausgabe 2/2018. Die Fragen stellte Simone Kaucher, Pressesprecherin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes.

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Bildnachweise

  • Rauß Fotografie