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Deutscher Volkshochschul-Verband

Programmhefte digital – Chance und Risiko zugleich

Bei vielen Volkshochschulen gelten die Sommerferien als Zielgerade für die Produktion der Programmhefte: da werden Texte finalisiert, Bilder gesetzt und Druckaufträge erteilt. Doch wegen Corona ist dieses Jahr alles anders: viele vhs stellen neben den Kursen auch die Programmhefte auf digital um.

Neue Chancen durch digitale Programmhefte

In den Monaten der Pandemie haben sich viele Verantwortliche der Volkshochschulen mit der Digitalisierung und den dadurch entstandenen Chancen auseinandergesetzt. So sind auch zum Programmheft neue Ideen entstanden. Die Vorteile liegen auf der Hand: weniger Kosten für Layout, Druck und Versand, stattdessen der nachhaltige Verzicht auf eventuell zurückbleibende Stapel von Papier. Außerdem sind im Vergleich zu den Druckausgaben die Online-Varianten deutlich flexibler: Sollte es zu Änderungen im Programm kommen, lassen sich Inhalte, Termine oder Informationen zu vhs-Kursen leicht korrigieren.

Wir haben mit zwei Verantwortlichen aus Volkshochschulen gesprochen, die zwangsweise oder freiwillig auf digitale Programmhefte umgestiegen sind. Welche Alternativen werden stattdessen genutzt? Wo liegen Vor- und Nachteile der Online-Versionen? Welche Chancen ergeben sich für den weiteren Weg der Volkshochschulen?

Ersparnis der Druckauflagen neu investiert

Seit 116 Jahren gibt es in der vhs Kaiserslautern (Öffnet in einem neuen Tab) im Jahr 2020 zum ersten Mal kein gedrucktes Programmheft. Obwohl die Druckausgabe gerade erst in neuem Design erstrahlte, wurde aufgrund von Corona nun auf die Produktion verzichtet. Michael Staudt, Leiter der Volkshochschule, erklärt: „Wir haben seit der Pandemie keine Planungssicherheit mehr. Und mit der digitalen Variante bleiben wir deutlich flexibler.“ Statt der Papierhefte, die sonst in einer Auflage von 58.000 Stück erschienen sind, liegt der Fokus also jetzt auf Öffentlichkeitsarbeit für die Webseite der vhs Kaiserslautern. Diese wurde vor diesem Hintergrund überarbeitet und optimiert. Zusätzlich werden Anzeigen in entsprechenden Medien geschaltet, um die Zielgruppe über neue Wege zu erreichen. Im vhs-Haus stehen jetzt mehr Computer für Besucher*innen zur Verfügung, um vor Ort nach Kursen zu suchen und gleichzeitig beraten zu werden.

Die Kostenersparnis der Druckexemplare investieren wir nun in die technische Ausstattung der Kursräume.

Michael Staudt, Leiter der vhs Kaiserslautern

Als Hybridlösung hat sich die Volkshochschule dazu entschieden, Kurse sowohl als Präsenz- wie auch als Online-Variante anzubieten. So können die Teilnehmenden ad-hoc entscheiden, ob sie in die Kursräume der Volkshochschule kommen oder sich lieber über ihren PC von daheim zuschalten möchten. Staudts einzige Sorge sind die älteren Teilnehmenden. „Viele kommen bei der Digitalisierung nicht mehr mit.“ Das Jahr 2020 wird zeigen, ob Corona das Programmheft an der vhs Kaiserslautern überflüssig gemacht hat. Die Rückmeldung der Zielgruppe wird entscheidend dafür sein, welche Publikationsart Michael Staudt für die nächste Programmheft-Ausgabe wählt. Seine Annahme war eigentlich: „Solange auch IKEA einen Katalog druckt, gibt es auch Programmhefte an der vhs. Das wird ja schon seinen Sinn haben, die Hefte in Händen halten zu können.“

Neue Kursvermarktung, neues Kurssystem

Die vhs Landkreis Fulda (Öffnet in einem neuen Tab) ist bereits erfahren in der Veröffentlichung digitaler Programmhefte. Im Jahr 2015 hat das Team um Stefan Will den Entschluss gewagt, zukünftig keine Druckexemplare mehr herzustellen. Der gesamte Prozess hat dabei ca. fünf Jahre und mitunter viele Nerven gekostet. Denn im Zuge der Digitalisierung ist nicht nur das Programmheft, sondern auch die strikte Einteilung in das klassische vhs-Semester entfallen. Stattdessen können Kurse jetzt relativ flexibel und mit einer durchschnittlichen Vorlaufzeit von sechs Wochen angeboten und gebucht werden. „So haben wir auf das Bildungsbedürfnis unserer Kundschaft reagiert. Wenn jemand mit Rückenproblemen telefonisch nach dem nächsten Kurs fragt und dieser erst in vier Monaten startet, verlieren wir Teilnehmende, da wir nicht ad-hoc reagieren können“, so Stefan Will, Digitalisierungsexperte der vhs Landkreis Fulda.

Marketingstrategien ausbauen

Das Team der vhs Landkreis Fulda ist „sehr zufrieden mit der Umstrukturierung“ und kann auch keinen Rückgang der Teilnehmendenzahlen feststellen. Dies liegt unter anderem einem ausgefeilten Marketingkonzept für die Bewerbung der Kurse. Mit monatlichen Anzeigen in Sonntagszeitschriften und Gemeindeblättchen sowie Postkartenaktionen und großflächiger Plakatwerbung bleiben die Bürgerinnen und Bürger über die Angebote der Kreisvolkshochschule informiert. Auch regelmäßige Newsletter informieren über besondere Highlights und die anstehenden Kurse.

Vor der Umstellung auf eine digitale Programmübersicht hat das Team der vhs viele telefonische Befragungen durchgeführt und das Buchungsverhalten der Teilnehmenden beobachtet. So stellte sich zum Beispiel auch heraus, dass vor allem Gesundheits- und Sprachkurse über die Weitermeldelisten organisiert werden: Viele Kurse kommen dadurch zustande, dass sich eine meist gleichbleibende Gruppe mit Ende des ersten Angebots gleich zum nächsten anmeldet. Dies sind häufig auch Seniorinnen und Senioren, sodass diese laut Will nicht grundsätzlich übersehen werden.

Auch ältere Menschen holen wir mit dem neuen Konzept ab. Durch den Besuch auf unserer Webseite schulen wir direkt die digitalen Grundkompetenzen der Seniorinnen und Senioren.

Stefan Will, Digitalisierungsexperte der vhs Landkreis Fulda

Das Beispiel aus Fulda zeigt, dass es auch über neue Wege und ohne gedrucktes Programmheft möglich ist. Dennoch darf man nicht vergessen, dass jede Volkshochschule anders ist – das Konzept der vhs Fulda ist nicht auf jede Bildungseinrichtung anwendbar, so Stefan Will. Die Möglichkeiten der Werbemaßnahmen sind vielfältig und so muss jede vhs die für sie und ihre Teilnehmenden besten Lösungen für die Programmplanung finden. Ob dabei die Semesterzeiten aufgehoben und neue rollierende Systeme erstellt werden müssen, bleibt ebenfalls den Volkshochschulen überlassen.

Wer nicht wagt – der nicht gewinnt

Beide Beispiele zeigen: ein vhs-Betrieb ohne gedrucktes Programmheft ist möglich. Klar ist, dass vor einer Umstellung gründliche Überlegungen zum neuen Konzept erstellt werden müssen. Hierfür ist der Dialog mit der Stammkundschaft sinnvoll, um Bildungsbedürfnisse und digitale Kompetenzen abzufragen. Auch die Webseite der Volkshochschule muss entsprechend optimiert werden: Mithilfe von Volltextsuchen müssen Nutzerinnen und Nutzer zu den Angeboten und Kursen geleitet werden. Der Webauftritt ist sozusagen der Online-Shop der Bildungseinrichtung, um das Produkt „vhs-Kurs“ an die Kundschaft zu bringen.

Neben den technischen und finanziellen Voraussetzungen, ist vor allem eins gefragt: Geduld. Der Prozess einer solch immensen Umstellung ist nicht innerhalb von ein paar Monaten erledigt, sondern kann bis zu Jahren dauern. Hierbei gilt es, regelmäßig zu evaluieren, anzupassen und auszubessern. Aber wenn einmal alles finalisiert ist, hat sich die Arbeit in jedem Falle gelohnt. Für ein Zeichen der Nachhaltigkeit und als Beweis für die digitalen Kompetenzen der Volkshochschule.

Die Gespräche führte Jana Geerken im Juli 2020.

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