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Deutscher Volkshochschul-Verband

Bildung für alle einfordern

Trotz Reformen im kambodschanischen Bildungssektor haben noch immer viele Menschen in ländlichen Gebieten keinen Zugang zu Bildung. Gemeinsam mit dem Dachverband der kambodschanischen Bildungs-NGOs stärkt DVV International zivilgesellschaftliche Strukturen, um die Reformen zu überwachen und einzufordern.

Im südostasiatischen Vergleich ist Kambodscha ein armes Land. Zwar wächst der Tourismussektor und ausländische, insbesondere chinesische, Investitionen steigen. Doch nur eine Minderheit profitiert von der wirtschaftlichen Entwicklung, und das Land leidet unter weitreichender Korruption.

Bildung ist ein Schlüssel, um aus der Armutsspirale auszubrechen. Sie wird in dem südostasiatischen Land jedoch nur unzureichend bereitgestellt. Auf den ersten Blick ist im kambodschanischen Bildungssektor zwar vieles auf einem guten Weg: Nach einer Reihe von Reformen gibt es heute einen strategischen Entwicklungsplan und daraus abgeleitete Verordnungen, wie Bildung nicht nur Menschen in urbanen Zentren, sondern in allen Teilendes Landes erreichen soll. Doch die Realität sieht oftmals anders aus. In abgelegenen Regionen haben viele Kambodschanerinnen und Kambodschaner noch immer nicht die Möglichkeit, Schulen zu besuchen, insbesondere wenn sie nicht die offizielle Amtssprache, das Khmer, sprechen. Auch non-formale Bildungsangebote, die diese Lücke schließen könnten, sind bislang nur unzureichend verfügbar.

Zivilgesellschaftliche Kontrollmechanismen lokal und regional stärken

Um der Herausforderung der mangelhaften Implementierung gut gemeinter nationaler Bildungsstrategien in den Provinzen zu begegnen, entwickelten DVV International und der Dachverband der kambodschanischen Bildungs-NGOs (NGO Education Platform – NEP) ein Projekt, das seit Januar 2016 von der Europäischen Union mit über 700.000 Euro gefördert wird. Dem Dachverband NEP gehören insgesamt 130 Mitgliedsorganisationen des gesamten Landes an. Er ist für die Zivilgesellschaft, was den Bildungsbereich betrifft, ein wichtiges Sprachrohr in Regierungskreisen, vor allem im Austausch mit dem Bildungsministerium.

Unter dem Titel „Tackling the Implementation Gap in Education Sector Reform; Mobilising Civil Society“ (zu Deutsch etwa: Die Implementierungslücke in der Reform des Bildungssektors angehen; Zivilgesellschaft mobilisieren) soll das Projekt auf lokaler und regionaler Ebene zivilgesellschaftliche Kapazitäten aufbauen und Kontrollmechanismen stärken. Durch Trainings, Beratung und Vernetzung werden zivilgesellschaftliche Organisationen in die Lage versetzt zu überwachen, inwieweit die nationale Bildungsgesetzgebung in die Provinzen dringt, zu identifizieren, wo Lücken bestehen, und die Schließung dieser Lücken bei Bedarf einzufordern. Außerdem soll das nationale Netzwerk der zivilgesellschaftlichen Organisationen gestärkt werden, damit Informationen aus den Provinzen die nationale Ebene, insbesondere das Bildungsministerium, auch wirklich erreichen.

In der wachsenden kambodschanischen Zivilgesellschafterfährt das Projekt große Zustimmung. Die Möglichkeiten, selbst auf lokaler Ebene zu einer Verbesserung der Bildungsangebotebeizutragen, werden gut angenommen. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen lernten in Trainings, wie sie selbst Nachforschungen anstellen und so dokumentieren können, an welchen Stellen auf lokaler Ebene Korrekturen notwendig sind und wie sie gezielt Lobbyarbeit für eine bessere Bildung vor Ort leisten können. Ein wesentliches Instrument für die Kommunikation der Interessen der Zivilgesellschaft sind Bildungsarbeitsgruppen auf Provinzebene. Sie sammeln den Bedarf an Bildung und versuchen, diesen auch an staatliche Strukturen zu kommunizieren.

Um die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen noch wirkungsvoller zu machen, können im Rahmen des Projekts, das noch bis Ende 2018 läuft, zivilgesellschaftliche Partner Zuwendungen für eigene Initiativen erhalten, um selbst Nachforschungen anstellen oder versuchen zu können, öffentlichkeitswirksam für ihre Themen und Interessen zu werben. Ein Beispiel liefert die Organisation Youth for Peace (YfP), ebenfalls Kooperationspartner von DVV International. YfP betreibt an verschiedenen Gedenkorten Friedenslernzentren. Im Rahmen des Projekts untersucht die Organisation nun, welche Wirkung die Friedenslernzentren auf die Vergangenheitsbewältigung haben und wie möglicherweise Strategien zur Versöhnung noch zielgerichteter entwickelt werden können.

Lösungen auf nationaler Ebene einfordern

Auf nationaler Ebene verschafft sich das Projekt unter anderem durch die Erarbeitung und öffentlichkeitswirksame Präsentation von Positionspapieren auch bei politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern Gehör. So wurde beispielsweise auf dem 6. Nationalen Forum zu Inklusiver Bildung, das NEP zusammen mit Partnern aus der Zivilgesellschaft ausrichtete, eine Studie vorgestellt, die aufzeigt, wie Kinder mit Behinderungen besserdurch Bildung erreicht werden können. Sie stieß auf großes Interesse und kann in der Zukunft als Grundlage für die Erarbeitung staatlicher Strategien dienen.

Bei einer externen Zwischenevaluierung des Projekts durch die Europäische Union wurde dessen nach wie vor hohe Relevanz insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen in ländlichen Gebieten hervorgehoben. Mit vielen guten Anregungen aus der Zwischenevaluierung gehen NEP und DVV International nun die abschließende Projektphase an. Sie fällt in eine Zeit, in der zivilgesellschaftliches Engagement zunehmend unter Druck gerät. Grund dafür sind die anstehenden Parlamentswahlen Ende Juli 2018. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass die zahlreichen Partner des Projekts aus der Zivilgesellschaft ihr Engagement weiterhin einbringen können, damit dringliche Herausforderungen dann in Zusammenarbeit mit Regierungsstrukturen auf nationaler und lokaler Ebene angegangen werden können.

„Wir haben jetzt ein tieferes Verständnis für die Wirkung unserer Bildungsprogramme auf lokale Gemeinschaften. Diese Erkenntnisse werden wir auch in unserem Dialog mit staatlichen Stellen nutzen, um sie von der Wirksamkeit unseres Ansatzes zu überzeugen.“

Long Khet, Direktor der Organisation Youth for Peace, die sich für Versöhnungsarbeit, vor allem im Kontext der schweren Verbrechen der Roten Khmer, engagiert.

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