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Deutscher Volkshochschul-Verband

Integration entscheidet sich vor Ort

Ob Integration gelingt, entscheidet sich vor Ort. Volkshochschulen sind Teil eines bewährten kommunalen Netzwerks. Klaus Hebborn, Beigeordneter für Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung des Deutschen Städtetages, spricht sich dafür aus, die Handlungsfähigkeit der Kommunen in puncto Integration zu stärken.

Von Klaus Hebborn

Die Integration der in den vergangenen Jahren zugewanderten Menschen stellt Staat und Gesellschaft vor erhebliche Herausforderungen. Staatlicherseits gilt dies insbesondere für die Kommunen. Hier müssen Wohnungen vermittelt, soziale und finanzielle Leistungen erbracht, Zugang zu Sprachkursen und Bildung ermöglicht, Zukunftsperspektiven durch berufliche Qualifizierung eröffnet sowie der Zugang zum Arbeitsmarkt erreicht werden – um nur einige der wichtigsten Aufgaben zu nennen. In den Kommunen entscheidet sich, ob Integration gelingt oder scheitert. 

Volkshochschulen verfügen über bewährte Strukturen

Die Kommunen unterhalten für diese Aufgaben eine Vielzahl von Einrichtungen und Diensten, die am Integrationsprozess beteiligt sind. Zu ihnen gehören die bundesweit rund 900 Volkshochschulen, die flächendeckend in Stadt und Land seit vielen Jahren bewährt und qualifiziert Integrationsarbeit leisten. Sie verfügen über hohe Kompetenz und viel Erfahrung nicht nur im Bereich der Sprachförderung, sondern sind auch der bundesweit größte Anbieter von Integrationskursen. Darüber hinaus engagieren sich die Volkshochschulen in zahlreichen anderen Bereichen für die berufliche, soziale und kulturelle Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Erinnert sei daran, dass neben anderen Trägern insbesondere die Volkshochschulen ihre Deutschkurse in den Jahren der stärksten Zuwanderung 2015/2016 auf Wunsch des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erheblich ausweiteten. Die seitens der Bundesregierung eingeleitete Öffnung der Integrationskurse für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive, die integrationspolitisch zu begrüßen war und ist, stellte die Volkshochschulen und ihre Träger vor große Herausforderungen: So mussten die Angebote in kürzester Zeit verdoppelt werden, um möglichst für alle berechtigten und verpflichteten Zugewanderten den Einstieg in die deutsche Sprache ohne längere Wartezeiten zu gewährleisten. Diese quantitative Ausweitung ging einher mit einer hohen Qualität und Zuverlässigkeit durch qualifiziertes Personal und entsprechende Qualitätsstandards.

Verfahren nicht durch Zuständigkeitswechsel erschweren

Die derzeitigen Bestrebungen des BAMF, insbesondere die sogenannte Zusteuerung der Zugewanderten in Integrationskurse stärker zentral durchzuführen bzw. zu reglementieren, sorgen jedoch im kommunalen Bereich für Unruhe. Grundlage für die neue Praxis ist die geänderte Integrationskursverordnung (IntV) vom 24.06.2017. Ziel ist, möglichst zeitnah den Beginn von Integrationskursen für verpflichtete bzw. berechtigte Zugewanderte zu ermöglichen. Grundsätzlich ist dies zu unterstützen und liegt im kommunalen Interesse. Es ist aber darauf zu achten, dass damit einerseits kein Verlust an Qualität einhergeht, andererseits funktionierende und bewährte Strukturen der Zusammenarbeit vor Ort nicht konterkariert werden.

Integration als Prozess ist ganzheitlich zu sehen. Das BAMF ist für die Entscheidung über die Asylverfahren verantwortlich und zuständig. Im Anschluss an die Entscheidung über den Asylantrag endet dessen Zuständigkeit und die Schutzsuchenden werden in den Kommunen weiter betreut. Diese kümmern sich um die Unterbringung, die Sicherstellung des Lebensunterhalts, den Zugang zu Bildungseinrichtungen, die Gesundheitsversorgung und die Betreuung der Geflüchteten. Diese erprobten und leistungsfähigen Strukturen dürfen nicht durch zentralisierte Zusteuerungen des BAMF unterlaufen werden.

Die Neuregelung des § 7 Abs. 3 IntV macht zudem Unterschiede zwischen „verpflichteten“ und „berechtigten“ Schutzsuchenden. Das rechtlich bindende Zuweisungsrecht des BAMF greift erst dann, wenn die Betreffenden zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet sind. Für die Gruppe der berechtigten Schutzsuchenden kann das BAMF lediglich rechtlich unverbindlich an einen Kursträger verweisen. Da jene Personengruppe bereits nach dem Abschluss des Asylverfahrens in den Zuständigkeitsbereich der Kommunen fällt, sind für die Verpflichtung zum Integrationskurs die Ausländerbehörden bzw. Träger der Grundsicherung verantwortlich. Ein Zuständigkeitswechsel zu diesem Zeitpunkt könnte das Verfahren erschweren. Dort, wo eine Kommune in der Lage ist, Koordinierung und Zusteuerung erfolgreich zu leisten, sollte sie dies auch weiterhin tun können. Im Interesse einer bestmöglichen Bildungsversorgung sollten die Träger bei der Weiterentwicklung des Verfahrens mit ihrer Erfahrung und Kompetenz eng eingebunden werden. Zur Überprüfung der Verfahrensregelungen und Koordinierungsprozesse ist eine Evaluierung der Pilotprojekte innerhalb eines Jahres sinnvoll und erforderlich.

Planungssicherheit muss gewahrt bleiben

Was die neu vorgesehene Möglichkeit der Trägerbeauftragung im Wege der Vergabe anbetrifft, ist zu fordern, die kommunalen Volkshochschulen bzw. öffentliche Träger von dieser Regelung auszunehmen. Die öffentlichen Kursträger, allen voran die Volkshochschulen, haben einen Anspruch auf Vertrauensschutz und brauchen Planungssicherheit mit Blick auf die Beschäftigung von qualifizierten Lehrkräften und Personal. Die Qualität der Kurse steht außer Frage, eine Verzahnung der Sprachförderung mit beruflichen bzw. arbeitsmarktbezogenen Maßnahmen findet in der Regel vor Ort statt.

Die neuen und zusätzlichen Anforderungen beim Zulassungsverfahren wie z.B. Auszüge aus den Gewerbezentralregistern, die sich auch an die kommunal getragenen Volkshochschulen richten und nicht explizit nach der Integrationsverordnung vorgeschrieben sind, bedeuten einen zusätzlichen Aufwand und sind als unnötige Überregulierungsmaßnahme in einem ohnehin sehr komplexen Antragsverfahren zu kritisieren. Die kommunalen Volkshochschulen sind als öffentliche Einrichtungen selbstverständlich der Zuverlässigkeit und der Gesetzestreue verpflichtet. Sie sind überdies nicht im Gewerbezentralregister eingetragen. Das BAMF ist daher aufgefordert, bei Volkshochschulen bzw. allen öffentlich getragenen Einrichtungen formell auf entsprechende Erklärungen und Nachweise zu verzichten.

Verlässlichkeit der Volkshochschulen anerkennen

Die Volkshochschulen haben in den vergangenen Jahren flexibel und schnell auf den hohen Bedarf reagiert und mit ihrer Kompetenz überall in Deutschland ein flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Integrationskurssystem maßgeblich mitgestaltet. Dieses muss durch adäquate rechtliche, organisatorische und ausreichende finanzielle Rahmenbedingungen weiter entwickelt werden. Die Volkshochschulen haben bewiesen, dass sie Integration „können“. Die Kommunen können sich auf ihre Volkshochschulen verlassen. Dasselbe sollte auch der Bund tun.

Klaus Hebborn ist Beigeordneter für Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung des Deutschen Städtetages. Für die Kommunalen Spitzenverbände ist er Mitglied im Vorstand des Deutschen Volkshochschul-Verbandes.

Der Beitrag erschien als Zwischenruf in dis.kurs - das Magazin der Volkshochschulen, Ausgabe 1/2018

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