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Deutscher Volkshochschul-Verband

Weiterbildung nach der Bundestagswahl: Da geht doch was!

Parteien im Bundestag äußern sich zu Wahlprüfsteinen der Volkshochschulen

Von Julia von Westerholt und Simone Kaucher

Nach der Bundestagswahl stehen auch in puncto Weiterbildung vielversprechende Koalitionsverhandlungen bevor. Denn alle demokratischen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, haben konkrete Ideen formuliert, wie sie lebenslanges Lernen künftig fördern und Angebote der Weiterbildung ausbauen möchten. Insbesondere herrscht Konsens darüber, dass die Entwicklung der digitalen Kompetenz in allen Altersgruppen ganz oben auf die bildungspolitische Agenda gehört. Der DVV hatte die Gelegenheit genutzt, acht Wahlprüfsteine an CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP zu richten – mittels der eigens von den Parteien dafür angelegten Webseiten. Die Antworten der Parteien zu den Kernforderungen der Volkshochschulen fassen wir hier zusammen. 

Die Gretchenfrage nach der Umsatzsteuer

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund seine nationalen Entscheidungsspielräume nutzt, um die gesamte allgemeine Weiterbildung als vierte Säule des Bildungssystems dauerhaft von der Umsatzsteuer zu befreien. Der DVV hat die Parteiengefragt, inwiefern sie diese Position unterstützen.

Grundsätzlich zu begrüßen ist die Offenheit aller Parteien, Auslegungsspielraum und Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie genauer zu prüfen, um Fehlentwicklungen im Bildungssektor zu vermeiden und allen Menschen Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Während SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE sich für eine großzügige Auslegung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, respektive geltenden nationalen Rechts aussprechen, nehmen CDU/CSU und FDP bei grundsätzlich gleicher bildungspolitischer Zielsetzung jeweils andere Blickwinkel auf die Fragestellung ein. Die CDU/CSU weitet den Blick über die Bereiche Beruf, Schule und Universität hinaus in den ehrenamtlichen Bereich. Sie orientiert sich damit nicht an der Idee lebensbegleitenden Lernens, die alle Abschnitte der Bildungsbiografie des Menschen berücksichtigt, sondern verfolgt eine sozialpolitische Richtung. Die FDP orientiert sich hingegen am Fairnessgedanken und verfolgt damit die übergeordnete Idee einer transparenteren und an den Grundsätzen fairen Wettbewerbs aller Akteure ausgerichteten Steuerpolitik. In der Bilanz wird eines deutlich: Der DVV wird im fachpolitischen Dialog die verheerenden Auswirkungen potenzieller Umsatzbesteuerung von Bildungsleistungen weiterhin und mit Nachdruck vermitteln müssen, um den Auftrag der Volkshochschulen zu schützen, Bildung für alle zu gewährleisten. 

Volkshochschulen und ihre Verbände als strategische Partner einbeziehen

Ein weiterer Wahlprüfstein galt der Nationalen Weiterbildungsstrategie: Sie müsse das gesamte System des lebensbegleitenden Lernens gleichermaßen berücksichtigen. Die allgemeine Weiterbildung – und mit ihr die Volkshochschulen – gehörten künftig bei der strategischen Planung mit an den Tisch. 

Erfreulich ist, dass sich alle Parteien in ihren Antworten mehr oder weniger explizit für einen weiter ausgelegten Bildungsbegriff einsetzen und einer künstlichen Differenzierung zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung kritisch gegenüberstehen. 

Während die CDU/CSU sich zurückhaltender äußert und gern prüfen möchte, ob und inwieweit die Volkshochschulen stärker an der Entwicklung der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) beteiligt werden können, steht diese Anforderung für die SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE außer Frage. Die FDP hält die NWS sogar für unzureichend und betont, dass diese gerade nicht auf die rein berufliche Verwertbarkeit verkürzt bleiben dürfe. Die FDP tritt ein für ein Midlife-BAföG und für individuelle „Freiraumkonten“, um unabhängig vom Arbeitgeber, steuer- und abgabenfrei für Weiterbildungsangebote und Bildungszeiten ansparen zu können.

Strukturelle Absicherung für die öffentlich geförderten Weiterbildung

Was kann der Bund tun, um die Weiterbildung krisenfest auszustatten und die Lehrkräfte sozial besser abzusichern? Überraschend zeigt sich zu dieser Frage eine große Einigkeit über alle Parteien hinweg. Alle wollen prinzipiell für eine angemessene Entlohnung freiberuflicher Lehrkräfte eintreten. Zur Frage der grundsätzlichen Absicherung der öffentlichen Weiterbildung zieht sich die CDU/CSU auf den Standpunkt der Zuständigkeit auf Länderebene zurück, während SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und die FDP jeweils den Horizont des politisch Denkbaren erweitern und nach Lösungsmöglichkeiten suchen möchten, um das Weiterbildungssystem insgesamt zu verbessern. 

So möchte die SPD mit einem Förderprogramm des Bundes ergänzende Impulse setzen. Die Grünen setzen sich für bundesweit einheitliche Mindeststandards in der Lehre ein. Sie wollen deshalb den Mindestlohntarifvertrag zu einem echten Branchentarifvertrag weiterentwickeln. Auch die Linke will sich stark machen für einen, in allen Bereichen der Weiterbildung gültigen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der sich am öffentlichen Dienst orientiert. Honorarverträge sollen in feste Stellen umgewandelt und an den TVöD angepasst werden. Die FDP will Instrumente der öffentlichen Finanzierung von Weiterbildung so weiterentwickeln, dass sie mehr Planungssicherheit sowie Investitionen in neue digitale Lernformate ermöglichen. Die Einkommen aus Mini- und Midijobs müssten an den Mindestlohn gekoppelt werden. 

Diese fortschrittlichen Impulse einer erweiterten politischen Debatte um Fairness, nachhaltige Planungssicherheit und eine echte Daseinsvorsorge im allgemeinen Weiterbildungsbereich begrüßen wir ausdrücklich. 

Breite Unterstützung für digitale Weiterbildung

Wenn es eine zukunftsweisende Frage gibt, in der sich alle Parteien ausnahmslos einig sind, dann ist es die Notwendigkeit einer umfassenden Initiative zur digitalen Bildung. Sehr konkret antwortete die CDU/CSU: Für die Entwicklung von Prototypen, Curricula und didaktischen Konzepten wolle man „in einem ersten Schritt“ 150 Millionen Euro bereitstellen. Auch die SPD kündigt an: „Wir werden die Volkshochschulen mit einem Förderprogramm des Bundes in ihrer Entwicklung unterstützen.“ Die Grünen befürworten ebenfalls eine Unterstützung der öffentlichen Weiterbildung für den Ausbau von Infrastruktur, für Qualifizierung und für die Entwicklung digitaler Kursinhalte und -formate. Und auch DIE LINKE hält insbesondere Investitionen in eine bessere personelle und technische Ausstattung der Volkshochschulen für notwendig. Die FDP möchte eine Bundeszentrale für digitale Bildung einrichten, die die Koordination, Qualitätssicherung und Vermittlung digitaler Bildung in Deutschland übernimmt. 

Es differenzieren sich die Perspektiven einmal mehr dort, wo es konkret wird und die Frage der Zuständigkeiten auf Bund-Länder Ebene tangiert wird. Hier gilt es für den DVV, weiter fachpolitisch im Dialog zu bleiben und bei der Entwicklung von Kooperationsansätzen auf Bund-Länder Ebene bestmöglich zu unterstützen. Denn Plattform-Lösungen, Prototypen, Curricula und didaktische Konzepte, die auf der Bundesebene bereitgestellt werden, können nur jeweils so wirkungsvoll sein, wie es die technische und personelle Ausstattung vor Ort zulässt. 

Bund soll für die Bildung mehr Verantwortung übernehmen

Überwältigend positiv ist das Votum aller Parteien zur Frage, ob die Herausforderung des digitalen Wandels in der Weiterbildung in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen zu bewältigen sei. Alle stimmen dieser Frage prinzipiell zu. Die CDU/CSU möchte in der nächsten Legislaturperiode eine Föderalismusreform angehen und alle Bund-Länder-Projekte auf den Prüfstand stellen. Der DVV wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die allgemeine Weiterbildung hierbei nicht außen vor bleibt. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE, DIE LINKE und auch die FDP sprechen sich ausdrücklich für eine Reform der Strukturen bzw. ein vollständiges Ausschöpfen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Kooperation von Bund und Ländern im Bildungsbereich aus. Es ist sehr begrüßenswert, dass sich eine weitgehende Überzeugung durchzusetzen scheint, in diesen Zeiten digitaler Transformationsprozesse gemeinsam neue Wege zu beschreiten. 

Bürokratieabbau im Integrations- und Berufssprachkurssystem

Alle Parteien erkennen grundsätzlich die vom DVV geforderte Stärkung des Integrations- und Berufssprachkurssystems an. Während die Ausführungen von CDU/CSU und FDP sich dabei auf Vorstellungen zur Notwendigkeit digitaler Angebote beschränken, zeigen sich SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gesprächsbereit zu konkreten Nachbesserungen in der finanziellen Ausstattung sowohl der Träger als auch der Kursleitenden. Sie zeigen damit ein tiefes Verständnis für die strukturellen Herausforderungen. Was nützt die Entwicklung digitaler Angebote, wenn eine Volkshochschule vor Ort weder über die technischen noch die finanziellen Mittel und auch nicht über die Lehrkompetenzen verfügt, um diese überhaupt und wirkungsvoll einzusetzen? Hier zeigt sich einmal mehr der Aufklärungsbedarf über die tatsächlichen Bedarfe vor Ort und die zu vermittelnde notwendige Erkenntnis, dass Netzwerke und Systeme nur so stark sind, wie ihre Partner.

Bildung in Sachen Demokratie als lebenslanger Prozess

Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und Demokratiebildung zu fördern, treten sowohl SPD als auch DIE LINKE für ein Demokratiefördergesetz ein, um Vereine, Projekte und Initiativen langfristig zu unterstützen und sie besser zu wappnen „gegen die Feinde unserer offenen Gesellschaft“, wie es in der Antwort der SPD heißt. Sie will außerdem das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ weiter ausbauen und hierüber Präventionsprojekte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene finanzieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen Demokratiebildung als Querschnittsaufgabe definieren, die gemeinsam mit Ländern und Kommunen entlang der gesamten Bildungskette konzeptionell und finanziell zu stärken sei. Für die FDP steht die Notwendigkeit politischer Bildung ebenfalls außer Frage, sie definiert sie als Kernaufgabe. Zu einer weitergehenden Förderung äußert sie sich nicht. CDU/CSU wollen sich „für eine Stärkung der politischen Bildung und der Wertekunde“ einsetzen, verweisen dabei allerdings primär auf den Bereich der Schule.

Regelförderung für Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote 
Eine Förderung derer, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben, lehnt keine der Parteien ab. Unterschiede zeigen sich in der Frage, ob eine solche Leistung vollfinanziert sein sollte. Die CDU/CSU spricht sich nur sehr indirekt hierfür aus, indem sie ein bildungspolitisches Ziel setzt: Jede*r in diesem Land muss lesen und schreiben können. Die sonstigen Ausführungen dazu bleiben leider unspezifisch. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE wollen die bestehende Förderung mehr oder weniger ausdrücklich ausbauen. Während die SPD auf einen Ausbau des Engagements im Rahmen der Alpha-Dekade setzt, wollen DIE GRÜNEN konkrete Reduktionsziele für Analphabetismus festlegen und evaluieren. DIE LINKE fordert ein Zehn-Jahres-Programm und die Bereitstellung von 3,6 Milliarden EUR sowie nachhaltiger Finanzierungsmodelle. Und die FDP möchte gering Literalisierte dabei unterstützen, das Midlife-BAföG zu nutzen und wünscht sich ein Grundbildungsportal, „auf dem alle gering literalisierten Menschen Kurse zum Erlernen des Lesens und Schreibens absolvieren können.“ 

Das zumindest gibt es längst: das vhs-Lernportal. Doch an anderen Stellen, verehrte Bundestagsabgeordnete, fehlt es an vielem. Darum: Lasst uns reden! 

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