Am 8. Oktober verlieh das Grimme-Institut seine Online-Awards für herausragende mediale Produktionen im Netz. Die ausgezeichneten Werke (Öffnet in einem neuen Tab) vereinen hohe Medienqualität und gesellschaftliche Relevanz. Doch die Berichterstattung über den Abend im Essener Colosseum setzt einen anderen Schwerpunkt: Kommentiert werden weniger die Leistungen der Preisträger*innen als der auch an diesem Abend zum Ausdruck gebrachte Protest gegen die nachträgliche Aberkennung einer Ehrung für eine junge Aktivistin durch den Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises e.V. Im Januar hatte der Verein die damals 17-jährige Judith Scheytt zunächst für ihre Kritik an der deutschen Berichterstattung über Israel und Gaza mit einem seiner nach dem Medienpädagogen Bernd Donnepp benannten Preise geehrt. Später wurde die Auszeichnung zurückgezogen.
Dem Protest bei der GOA-Verleihung gegen den Entzug des Donnepp-Preises an Judith Scheytt waren im September Reaktionen von Träger*innen der Grimme-Fernsehpreise vorausgegangen. So hatten Bilal Bahadır und Çağdaş Eren Yüksel („Uncivilized“) ihre Grimme-Preise zurückgegeben. Beim GOA-Festakt ließen dann die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck ihre Preise auf der Bühne stehen.
Çiğdem Uzunoğlu, Geschäftsführerin des Grimme-Instituts, trat an dem Abend erneut dem Vorwurf entgegen, das Institut oder sie persönlich hätten auf die Aberkennung des an Judith Scheytt verliehenen Preises hingewirkt. Das Eingreifen des Vereinsvorstands der Freunde des Adolf-Grimme-Preises in die Entscheidung der Jury über die Auszeichnung Scheytts sei „formal ein Fehler“ gewesen.
Heike Richter, Vorsitzende der Gesellschafterversammlung des Grimme-Instituts und Vorstandsmitglied des Deutschen Volkshochschul-Verbands, sieht das Institut nun in seiner ureigenen Mission gefordert. Die Sache sei so komplex wie signifikant: „Es geht um die Qualität von Medienkritik und um deren Tragweite in einer polarisierten politischen Landschaft, um Meinungsvielfalt und Verantwortung, um Professionalität und Transparenz.“ Das Grimme-Institut sei daher geradezu berufen, alle Beteiligten zu einer fundierten Diskussion auf Augenhöhe über den gesamten Vorgang einzuladen. „Daraus können wir lernen, im Interesse einer starken demokratischen Öffentlichkeit“, sagt Heike Richter. „Aufgabe des Grimme-Instituts ist es, zur Qualität der Medien in Deutschland beizutragen und die Medienkompetenz der Bürger*innen zu fördern, gerade auch anhand divergierender Positionen. Dies erfordert im aktuellen Fall erst einmal einen offenen und kontroversen Diskurs. Dabei müssen alle beteiligten Akteur*innen ihren eigenen Standpunkt und ihre eigene Rolle reflektieren – natürlich auch das Institut selbst“, so Richter.