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Deutscher Volkshochschul-Verband

Weltreise mit Wurstbrot

Auf den Spuren der globalen Fleisch- und Getreideproduktion

Das Projekt der vhs Goslar war eine Veranstaltungsreihe aus zehn Treffen, bei denen mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet wurde. Ziel war es, die Teilnehmenden anhand konkreter Beispiele für ihr eigenes Konsumverhalten zu sensibilisieren und Chancen und Herausforderungen der Globalisierung in der Ernährungsindustrie zu beleuchten.

Die Veranstaltungen wurde in Zusammenarbeit mit Slow Food Harz e.V. und dem Klimaschutzmanagement im Landkreis Goslar durchgeführt.

Frau Einhorn, Sie schickten Ihre Teilnehmenden auf eine „Reise mit dem Wurstbrot um die Welt“. Wo ging diese Reise hin?

Angesprochen wurden Menschen, die bereit waren, am Beispiel von Brot und Wurst über die globalen Auswirkungen ihres eigenen Konsumverhaltens nachzudenken. Jede*r Teilnehmende brachte für die Auftaktveranstaltung ein Wurstbrot mit und machte sich damit gleich zu Beginn anschaulich daran, mehr darüber zu erfahren. In 6 Workshops setzten sie sich aktiv mit Aspekten wie den Auswirkungen unseres Fleisch- und Brotkonsums auf die weltweiten Märkte, auf Lebens- und Arbeitsbedingungen in Produktionsländern, auf das Klima und die Umwelt sowie das Tierwohl auseinander. Auch die Bedeutung regionaler Initiativen und Produzenten für die globale Entwicklung, die Übertragbarkeit regionaler Ansätze auf Regionen in den Produktionsländern oder die Gegenüberstellung früherer zu heutiger Produktion und Vermarktung mit Blick auf die Globalisierung wurden thematisiert. Zum Einsatz kamen Methoden wie Impulsreferate, Textrecherche, Kleingruppenarbeit, Diskussionsrunden oder Mindmapping.

Nachdem die Reisenden in der Theorie vieles erfahren hatten, folgte mit Exkursionen zum Roten Harzer Höhenvieh, zu einem regionalen Bäckereibetrieb und einem Kochkurs „Brot und Wurst selbst herstellen“ der praktischere Teil der Veranstaltungsreihe.

Über die vhs.cloud wurden die Ergebnisse der einzelnen Veranstaltungen dokumentiert und weiterführendes Material zur Verfügung gestellt.

Bei einem Abschlussworkshop ließ die Gruppe die Reise Revue passieren und fasste Ansätze zusammen, um den globalen Herausforderungen mit ihrem eigenen Handeln zu begegnen: weniger Fleisch essen, bessere Qualität kaufen, nachhaltiger Tier essen („nose to tail“), regional und fair konsumieren, mehr nachdenken und informieren!

Was ist bei der Veranstaltungsreihe besonders gut gelungen?

Besonders gut gelungen ist es, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und eine offene und wertschätzende Diskussionsatmosphäre zu schaffen, in der die Teilnehmenden sich durch ihre Erfahrungen und Impulse gegenseitig bereicherten und unterstützten. Durch die gewählten Methoden konnte das Thema den Teilnehmenden nah gebracht und ein starker Alltagsbezug hergestellt werden. Die Teilnehmenden waren motiviert, ihr eigenes Konsumverhalten zu verändern und das Gelernte in ihr Umfeld weiter zu tragen.

Teilnehmende in der Backstube

Gab es besondere Herausforderungen in Bezug auf die Zielgruppe oder die Themen?

Anfänglich war es schwieriger als erwartet, Teilnehmende für die Veranstaltungsreihe zu gewinnen. Dies bringen wir vor allem mit dem Umfang und dem hohen Anspruch der Veranstaltungsreihe in Verbindung. Denn die Teilnehmenden sollten vieles selbst erarbeiten. Diesbezüglich gestaltete sich die Bewerbung der Maßnahme über direkte Ansprache, E-Mail-Verteiler, Aushänge und Flyer recht aufwändig. Hilfreich für die letztendlich doch hohen Anmeldezahlen war sicher die Möglichkeit, sich für einzelne Veranstaltungen anmelden zu können und die Veranstaltungen kostenfrei zu besuchen.

Wie gewünscht, kamen nicht nur Teilnehmende, die bereits in vollem Umfang informiert waren und vollkommen reflektiert handelten, sondern auch solche, die von einigen Aspekten durchaus alarmiert waren und neue Erkenntnisse für sich mitnehmen konnten. Alle hatten aber gemeinsam, dass sie bereit waren, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Eine Herausforderung für weitere Veranstaltungen wird sein, diejenigen zu erreichen, die nicht bereit sind, etwas zu verändern oder über ihr Konsumverhalten nachzudenken. Auch die Teilnehmenden stießen im Gespräch mit anderen an ihre Grenzen, ihr neues Wissen weitergeben, dabei aber nicht missionierend wirken zu wollen.

Frauen bei Wurstkochkurs

Welchen Bezug gab es zwischen globalen Zusammenhängen und lokalem Handeln?

Es wurde deutlich, dass die globalen Zusammenhänge nicht verändert werden können, ohne auf lokaler Ebene zu handeln. Vorhandene lokale Best-Practice-Projekte wurden im Kurs präsentiert und Strategien erarbeitet, um diese zu stärken und mit deren Erfahrung und Netzwerken weiterzuarbeiten. Durch Gespräche mit den Teilnehmenden haben wir erfahren, dass diese neuen Kontakte tatsächlich genutzt werden, sich z. B. nachhaltige Einkaufsgemeinschaften gebildet haben. 

Wie hat sich Ihr eigener Blick durch diese Auseinandersetzung mit dem Thema verändert?

Ich persönlich bin betroffen von dem, was ich über die Auseinandersetzung mit dem Thema zusätzlich erfahren habe und habe mein Konsumverhalten konsequent verändert, wozu mir vorher teilweise die Motivation fehlte. Es ist mir umso mehr ein Anliegen geworden, weitere Veranstaltungen mit Bezug zum Globalen Lernen zu planen. Denn die Veranstaltungsreihe und die Rückmeldungen der Teilnehmenden haben wieder deutlich gezeigt, dass Bildung nachhaltig wirken kann.

Welche Tipps haben Sie an Kolleg*innen aus anderen vhs, die eine Veranstaltung zu diesem Themengebiet planen?

Wichtig ist es aus meiner Sicht, bei der Konzepterstellung und Durchführung mit einer Person zusammen zu arbeiten, die nah am Thema ist und dieses aus persönlicher Überzeugung authentisch aber trotzdem ohne Wertung vermitteln kann. Bei uns war dies die Seminarleiterin, die durch ihre Verbindung zu Slow Food Harz e.V. zudem wichtige Kontakte zu regionalen Erzeugerinnen und Erzeugern einbringen konnte.

Es macht auf jeden Fall Sinn, von vornherein Kooperationspartnerinnen und -partner einzubeziehen, die sich durch einen Zugang zu möglichen Zielgruppen bei der Teilnehmendengewinnung einbringen können. Sehr unkomplizierte Unterstützung bei der Suche nach externen Referenten haben wir durch die EineWeltPromotor*innen bekommen.

Es ist ein schmaler Grat, das gewählte Thema in all seinen Facetten zu beleuchten, ohne die eigenen Ressourcen und potentielle Teilnehmende nicht zu überfordern. Im Zweifelsfall würde ich mit einem weniger umfangreichen Format beginnen, um noch mehr Menschen für das Thema des Globalen Lernens zu gewinnen und eigene Erfahrungen zu sammeln. Daraus können sich dann umfangreichere Formate entwickeln. 

Die Verbindung aus Theorie und Praxis würde ich wieder wählen, um nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern dieses auch erlebbar zu machen.

Inwiefern sind die Themen globaler Nachhaltigkeit auch über diese Veranstaltung hinaus Thema an ihrer Volkshochschule?

Mit unserer programmbereichsübergreifenden Themeninsel „nachhaltig leben“ stellen wir in Zusammenarbeit mit der Klimaschutzmanagerin beim Landkreis Goslar Kurse zusammen, die praktische Anregungen und Ideen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag geben. Darunter fallen beispielsweise ein von Schülerinnen und Schülern angeleiteter Kurs zum fairen Handel, eine Kinovorstellung des Dokumentarfilms „Taste the waste – warum schmeißen wir unser Essen auf den Müll“ von Valentin Thurn mit anschließender Diskussion, Upcyclingkurse, regionale Kochkurse, Hochbeet bauen etc..

Zudem versuchen wir auch in unseren Kursen mit gutem Beispiel voran zu gehen. Beispielsweise bieten wir im Kreativbereich Materialkoffer für die Teilnehmenden an, damit sie Kreativideen ausprobieren können, ohne unnötig Material anschaffen zu müssen, welches später ungenutzt zu Hause liegen bleibt. Unser Tandem-Projekt trägt zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund bei und ermöglicht Ihnen den Zugang zu dem Bildungsprogramm unserer vhs.

Haben Sie bereits Ideen für weitere Veranstaltungen zum Themengebiet des Globalen Lernens?

Ideen sind zum Beispiel eine von Teilnehmenden, ggf. auch Schülerinnen und Schülern, erarbeitete Stadtführung oder interaktive Ausstellung, in der globale Herausforderungen in Bezug auf verschiedene Produkte und global verträgliche Alternativen aufgezeigt werden. Zudem könnte die bereits durchgeführte Veranstaltungsreihe zum Wurstbrot zu anderen Produkten wiederholt werden.

Im Rahmen einer von den Teilnehmenden angeregten Arbeitsgruppe werden wir uns weiter mit den Hintergründen unserer Lebensmittel beschäftigen. Orientiert am Regionalgedanken sollen Ideen für den eigenen Alltag sowie Impulse für weitere Initiativen und Projekte auf lokaler Ebene gegeben werden.

Nikola Einhorn arbeitet im Fachbereich Bildung und Kultur an der Volkshochschule Landkreis Goslar.

Januar 2020

Weitere Praxisbeispiele

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