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Deutscher Volkshochschul-Verband

Mit dem Drachen auf der Suche nach dem inneren Frieden

Dieser Projektbericht stammt aus der vergangenen Förderphase (2018-2022) von "Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung". Es sind daher konzeptionelle Abweichungen im Vergleich zur aktuellen Förderrichtlinie möglich.

Das Drachenfest ist im Kassler Stadtteil Rothenditmold ein Begriff. Dort ist die gemeinnützige Gesellschaft Heilhaus Kassel ansässig. Mit ihrem stetig wachsenden Netzwerk an sozialen Einrichtungen hat sie das Fabelwesen in dem alten Arbeiterstadtteil eingeführt. Der Drache ist die Symbolfigur vor allem der Kinder- und Jugendarbeit im Heilhaus: Er gewährt Kindern Schutz und bringt ihnen Glück. Von ihm können die Kinder Mut, Kraft, und Selbstvertrauen lernen. Und genau darum geht es auch beim talentCAMPus im Heilhaus Kassel.

talentCAMPus heißt das Ferienbildungskonzept des Deutschen Volkshochschulverbands. Seit 2013 ist es Teil des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung will mit diesem Programm benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu neuen, positiven Lernerfahrungen verhelfen.

Im Bündnis für eine positive Stadtteilentwicklung

Seit 2013 beteiligt sich die Volkshochschule Region Kassel am talentCAMPus Programm. Rothenditmold bietet dafür geeignete Anknüpfungspunkte. Der Stadtteil mit 6500 Einwohnern grenzt an die Kassler Nordstadt. Mit dem Niedergang der örtlichen Industrie, darunter auch Teile von Thyssen-Henschel, verloren viele Menschen ihre Arbeit. Mit sinkender Kaufkraft verschwand nach und nach immer mehr lokale Infrastruktur. Inzwischen ist seit einigen Jahren eine Trendwende erkennbar. Kleine Handwerksbetriebe und junge Kreative haben sich angesiedelt. Wohnungsgesellschaften sanieren ihre Bestände. Der Stadtteil ist aufgenommen ins Förderprogramm „Soziale Stadt“.

Zu dieser Entwicklung hat das Heilhaus maßgeblich beigetragen. In Form eines Vereins nahmen die Initiatoren vor 26 Jahren die Arbeit auf. Als Baugenossenschaft errichteten sie auf altem Industriegelände ab 2006 eine Siedlung für gemeinschaft­liches Wohnen, Leben und Arbei­ten. Inzwischen leben dort rund 130 Menschen. 2008 wurde das Heilhaus als Mehrgenerationenprojekt anerkannt und wird seither entsprechend gefördert. Neben einem Geburtshaus und einer Kindertagesstätte gibt es auch eine Schule für schwer kranke Kinder und Jugendliche auf dem Gelände. Ein Veranstaltungshaus und das bundesweit erste Mehrgenerationenhospiz sind derzeit im Bau. Auch in der Stadtteilarbeit ist das Heilhaus Kassel aktiv und insbesondere in der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe.

Der Bedarf ist groß. Noch immer leben in Rothenditmold überdurchschnittlich viele Familien mit geringem Einkommen, viele mit Migrationshintergrund, die hier noch keine wirkliche Heimat gefunden haben. Viele Kinder und Jugendliche seien verstärkt mit Gewalt konfrontiert, so Katharina Seewald, Leiterin der vhs Region Kassel.

Dass sich die Volkshochschule in Rothenditmold engagiert, hat sicher auch damit zu tun, dass Katharina Seewald um die schwierigen sozialen Verhältnisse weiß. Sie selbst lebt in dem Stadtteil, ist im Vorstand des Vereins „Wir für Rothenditmold“ aktiv, einer Bürgerinitiative, die sich für die Entwicklung des Stadtteils einsetzt. Der Verein ist, ebenso wie das Heilhaus, ein talentCAMPus-Bündnispartner der vhs. Eine weitere Verbindung: Martina Haas ist Leiterin der Jugendhilfe im Heilhaus und ebenfalls im Vorstand der Stadtteilinitiative.

Die Geschichte vom Drachen hat das Eis gebrochen. Die Kinder und Jugendlichen haben angefangen, von ihren belastenden Erfahrungen zu erzählen. Es ist erstaunlich, wie viel positive Kraft in jedem von ihnen steckt.

Christa Meurers, Mitinitiatorin des talentCAMPus im Heilhaus

Mit Ruhe und Harmonie gegen belastende Erfahrungen

„Eine Sommerwoche mit dem Frieden im Gepäck“ lautet der Titel der Ferienbildungswoche. Das Programm soll die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Ruhe kommen lassen, ihnen Harmonie bieten. Die meisten der Kinder und Jugendlichen haben das bitter nötig. Etliche der 30 Jungen und Mädchen sind Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten wie Afghanistan, Somalia und Eritrea. Sie haben Tod und Unterdrückung mit eigenen Augen gesehen. Andere Kinder sind mit ihren Müttern vor häuslicher Gewalt geflohen und haben nun Zuflucht in einem Frauenhaus gefunden. Auch Geschwister von schwer kranken Kindern gehören zu den Teilnehmern. Auch sie sind in ihren Familien mit den Themen Sterben und Tod konfrontiert.

Mit Hilfe des Drachen ist es den Dozentinnen und Betreuerinnen gelungen, einen Zugang zu den teilweise schwer traumatisierten Kindern zu finden. Gemeinsam haben sie überlegt, was ein Drachenbaby zum Wachsen braucht. Und so manches davon hilft auch dem Frieden zu wachsen.

„Die Geschichte vom Drachen hat das  Eis gebrochen“ freut sich Christa Meurers, die talentCAMPusim Heilhaus mitinitiiert hat.  Sie hat viel Erfahrung mit der heilsamen Kraft von Geschichten und künstlerischer Betätigung und ist von der Wirkung doch immer wieder beeindruckt: „Die Kinder und Jugendlichen haben angefangen, von ihren belastenden Erfahrungen zu erzählen. Es ist erstaunlich, wie viel positive Kraft in jedem von ihnen steckt.“

Die talentCAMPus-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer haben Friedensfähnchen nach buddhistischer Tradition gestaltet und Begriffe für Frieden in den unterschiedlichen Herkunftssprachen gefunden. Sie haben Bilder gemalt für ein Erzähltheater im Stile des japanischen Kamichibai. Mit selbst gebastelten Rasseln haben sie sich von Ulla Troe zu Friedenstänzen einladen lassen und kleine Schatzkästlein gestaltet.  Sie haben geübt, behutsam mit sich selbst und mit anderen umzugehen und Konflikte konstruktiv zu lösen.

In der Heilhaus-Wohnsiedlung sind sie dabei bestens aufgehoben. An sonnigen Tagen finden die Workshops auf der Wiese in Zeltpavillons statt. Bei Regen stehen Gemeinschaftsräume zur Verfügung, wie es sie in jedem der Wohnhäuser gibt. Und das Mittagessen wird in einer Gemeinschaftsküche eingenommen. Wer will, darf bei der Zubereitung mithelfen. Für eine Ferienwoche zum Thema Frieden könnte die Umgebung kaum harmonischer sein.

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