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Deutscher Volkshochschul-Verband

Nicht flüchten, sondern standhalten

Prof. Dr. Klaus Peter Hufer rät zu einem professionellen Umgang mit politischen Einmischungen der AfD auf die vhs-Programmplanung.

Seitdem sich die Alternative für Deutschland (AfD) als Partei in allen Landesparlamenten und im Bundestag sowie nahezu flächendeckend in Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten etabliert hat, ergab sich auch für die Volkshochschulen eine neue Situation. Ihre Angebote, ganz besonders die zur Politischen Bildung, gerieten ins Visier der Beobachter und Kontrolleure dieser Partei. Wenige Beispiele von vielen: „Volkshochschule fördert Islamisierung“, verkündete die AfD-Landtagsfraktion Sachsen und meinte damit die vhs Dresden. Der kvhs Neuwied wurde von einem Kreistags- und Landtagsabgeordneten der AfD vorgeworfen, sie hätte ein „Propagandaseminar“ angeboten. In Buxtehude verlangte die AfD, dass ein von der vhs geplanter Vortrag mit dem Titel „Gefährdet der Rechtspopulismus unsere Demokratie?“ abgesetzt werden sollte. Das sei „ein indoktrinierender, linksideologischer Hetzvortrag“.

Die AfD will „weg vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland“ – so der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen. Wer so spricht, will auch so handeln. Die Volkshochschulen – für die AfD sind sie wohl rundherum „links-rot-grün versifft – werden sich auf härtere Zeiten einstellen müssen. Ich will Antworten geben auf häufige Fragen, die sich hier einstellen:

Wie auf den Vorwurf reagieren, das Programm sei nicht „neutral“?

Das ist ein alter Vorwurf, der immer wieder an die Adresse der Programmplanenden gerichtet wird – auch lange vor der AfD war das der Fall. Keine einzelne Veranstaltung kann „ausgewogen“ sein, zur Freiheit der Lehrplangestaltung gehört auch die Auswahl für oder gegen ein Thema. Und die Freiheit der Lehre gilt genauso für vhs-Dozentinnen und Dozenten. Sie dürfen sich in ihren Veranstaltungen politisch oder weltanschaulich positionieren, aber natürlich nicht agitieren und indoktrinieren (nebenbei bemerkt: das funktioniert bei Erwachsenen sowieso nicht). Es widerspricht der Mündigkeit Erwachsener, ihnen Themen vorzuenthalten, nur weil das von einer politischen Seite gefordert wird. „Neutral“ ist Bildung nie. Wer das behauptet, hat die Eigenwilligkeit von Bildung nicht begriffen. Und die immer wieder geforderte Ausgewogenheit zeigt sich in der Vielfalt eines Programms, nicht in einer einzelnen Veranstaltung.

Prof. Dr. Klaus Peter Hufer

Soll man AfD-Vertreter zu Podiumsgesprächen einladen?

Grundsätzlich ja, denn die AfD ist eine durch Wahlentscheidungen demokratisch legitimierte Partei. Sie darf daher nicht ignoriert werden, wenn ein strittiges Thema als Podiumsveranstaltung geplant wird. Doch wenn man dabei die ja stets verlangte „Ausgewogenheit“ mit der Repräsentanz aller politischen Parteien auf dem Podium verwechseln würde, dann wäre eine solche Veranstaltung wegen „Überfrachtung“ diskussionsunfähig. Es gilt, dass ein lebendiges Podium nicht mehr als vier Diskussionsteilnehmende plus Moderation verträgt. Ob nun auch die AfD vertreten ist, hängt vom Einzelfall, also vom jeweiligen Thema ab. Die AfD grundsätzlich nicht einzuladen, würde sie in ihrer Lieblingsrolle bestätigen – „Wir gegen das herrschende Kartell“ – und der Partei weiteren Zulauf bescheren.

Was ist, wenn sich die AfD auf den Beutelsbacher Konsens beruft?

Das soll sie gerne tun, denn der Beutelsbacher Konsens weist drei Merkmale auf: Überwältigungsverbot, Gebot zur Kontroverse und Orientierung an den Interessen der Teilnehmenden. Eine politische und/oder administrative Intervention in das Programm widerspricht allen drei Konsensmerkmalen.

Was macht man, wenn ein AfD-Mitglied einen politischen Kurs oder Vortrag anbietet?

Wenn die fachlichen und formalen Qualifikationen nachgewiesen werden, zum Beispiel durch ein einschlägiges Studium und besondere Referenz beim vorgeschlagenen Thema, ist das nicht zu verhindern. Notwendig ist ein ausgiebiges Vorgespräch mit der Verpflichtung auf die Prinzipien einer demokratischen Bildung. Ein Besuch der Veranstaltung durch die Fachbereichsleitung ist dann unabdingbar. Sollte sie dabei eine parteipolitische Propaganda feststellen, darf diese Referentin/ dieser Referent nicht mehr eingesetzt werden. Zu den Aufgaben einer Fachbereichsleitung gehört, das entsprechend zu begründen – im unmittelbaren Gespräch und im schriftlich fixierten Vermerk.

Was, wenn AfD-Sympathisanten oder -Mitglieder Veranstaltungen dominieren?

Das wird man in Kauf nehmen müssen, ein Ausschluss (auch vorab durch Voranmeldungen) widerspricht dem Anspruch der Offenheit, die ein elementares Gütezeichen der Volkshochschulen ist. Und wenn eine Gruppe oder eine Einzelperson eine Veranstaltung okkupieren und in ihre Richtung lenken will, dann hat die Leitung die Aufgabe der „Gegensteuerung“ (Hans Tietgens) und muss sich auf den Beutelsbacher Konsens (siehe oben) berufen. Schließlich soll man getrost auch auf den Widerspruch der anderen, nicht dieser Gruppe zugehörenden Teilnehmenden setzen. Und schließlich können auch Rechtspopulisten noch dazu lernen. Vielleicht geht ja der eine oder andere aus dieser Gruppe nachdenklich nach Hause. Die Kraft der Aufklärung macht nicht unbedingt an der Grenze zur AfD halt.

Wie verhindert man die Schere im Kopf?

Zur Professionalität eines Erwachsenenbildners/einer Erwachsenenbildnerin gehört „Mut“ (Fritz Borinski). Eine Selbstzensur aus Angst vor einer Zensur wäre im Ergebnis: eine Zensur. Zum Mut gehört auch die Bereitschaft, gegebenenfalls einen Konflikt auszuhalten. Wer das nicht kann und will, sollte sich ein anderes Betätigungsfeld suchen als die politische Bildung. Zur Politik in einer Demokratie gehört der Konflikt, in Diktaturen wird er im Keim erstickt. Gesellschaftliche Ereignisse und Auseinandersetzungen müssen sich auch in den vhs-Programmen abbilden – und da kann es konsequenterweise Widersprüche geben. Wer da mentale Unterstützung sucht, kann sich ja eine Empfehlung des Psychoanalytikers Horst-Eberhard Richter zu Eigen machen: „Nicht flüchten, sondern standhalten“. Das ist gut fürs Programm und gut für die Seele.

Professor Dr. Klaus Peter Hufer ist assoziierter Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen und war bis zu seiner Pensionierung 2014 Fachbereichsleiter für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Kreisvolkshochschule Viersen.

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