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Deutscher Volkshochschul-Verband

Weiterbildung in der Kurzarbeit – eine Chance für Betroffene, Betriebe und Volkshochschulen

Eine gute Zeit zur Entwicklung zukunftsorientierter Qualifizierungsformate

Von Winfried Krüger, Geschäftsführer der kvhs Ammerland, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Beruflichen Bildung an Volkshochschulen BBV e.V., stellv. Vorsitzender im niedersächsischen vhs-Landesverband und Vorstandsmitglied beim DVV.

Die seit Jahresbeginn 2020 allgegenwärtige COVID-19-Pandemie beeinflusst mittel- oder unmittelbar sämtliche Lebensbereiche, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Die Politik hat seitdem zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der gesundheitlichen Gefahren auf den Weg gebracht und mindestens ebenso viele zur Eingrenzung der diversen negativen Folgewirkungen. So wurden nicht nur neue Hilfsprogramme aufgelegt, sondern auch bestehende Instrumente in ihren Wirkmechanismen auf die besonderen Herausforderungen dieser Zeit hin angepasst oder ausgeweitet. 

Kurzarbeit sichert Beschäftigungsverhältnisse

Eine herausragende Rolle spielt dabei das Instrument der sogenannten Kurzarbeit. In der Bundesrepublik Deutschland besteht bereits seit 1957 die rechtliche Grundlage zum Bezug von „Kurzarbeitergeld“ (KuG). Kurzarbeit soll Unternehmen bei einer vorübergehenden schlechten Auftragslage durch eine Entlastung bei den Personalkosten stützen und betriebsbedingte Kündigungen verhindern. 

In den vergangenen Jahrzehnten gab es regelmäßig „Saisonkurzarbeit“ in den wetterabhängigen Branchen. Rechtlich ist das Thema im Bereich der Arbeits(förderungs)gesetzgebung verankert, die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung. Damit ist die Bundesagentur für Arbeit (BA) die für die Umsetzung bzw. Abwicklung zuständige Stelle. 

Die BA und ihre Angebote und Leistungen werden gemeinhin meist als Adresse für „Arbeitslose“ wahrgenommen. Allerdings erstreckt sich der Wirkungsbereich seit Jahren zunehmend auch auf Beschäftigte. Die vorrangige Motivation besteht dabei in der Sicherung von Beschäftigungsverhältnissen im Strukturwandel durch geeignete Angebote zur Qualifizierung und (seit 2018 mit dem „Qualifizierungschancengesetz“) auch Beratung. Die entstehenden Kosten werden je nach Größe der Betriebe vollständig oder anteilig durch die BA übernommen. 

Grundlage für die Durchführung entsprechender Qualifizierungen ist dabei immer die Förderlogik des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III), hier konkret die der „Förderung der beruflichen Weiterbildung“ (FbW). Diese basiert im Kern auf einem System von Gutscheinen, in dessen Rahmen die Betroffenen ihren jeweiligen Bildungszielen nachgehen können - bei zertifizierten Anbietern („AZAV-Trägerzulassung“) in ebenso zertifizierten Maßnahmenformaten. 

Gesetzgeber schafft Anreize für Weiterbildung

Die genannten Angebote zur Qualifizierung stehen grundsätzlich auch allen offen, die KuG beziehen. Die Politik mahnt Betroffene und Betriebe, angesichts vergleichsweise geringer Beteiligung, diese wahrzunehmen. Wegen der weiterhin ungebrochenen Brisanz der Pandemie hat der Deutsche Bundestag am 20. November das sogenannte Beschäftigungssicherungsgesetz verabschiedet, das unter anderem die Verlängerung der Sonderregelungen zur Kurzarbeit für das Jahr 2021 festschreibt. Dazu zählt auch weiterhin die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Kurzarbeitergeld, die regulär seitens der Arbeitgeber getragen werden müssten. Allerdings enthält das neue „Beschäftigungssicherungsgesetz“ einen starken Anreiz, die vorhandenen Angebote zur Qualifizierung auch wahrzunehmen: Im zweiten Halbjahr ist die Einsparung von 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge an die Bedingung geknüpft, an einer Qualifizierung gemäß § 82 SGB III mit einem Umfang von mindestens 120 UE teilzunehmen.

Eine große Chance für die Volkshochschulen 

Ernst-Dieter Rossmann, Ehrenvorsitzender des DVV, wies im Rahmen der letzten Vorstandssitzung zu Recht auf die enormen Potenziale der zu erwartenden steigenden Nachfrage auch für Volkshochschulen hin. Im September 2020 erhielten laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit mehr als 4 Mio. Beschäftigte Kurzarbeitergeld. Selbst wenn diese Zahl bis zur Jahresmitte 2021 auf ein Viertel des jetzigen Niveaus sinkt und somit auch nur 25 Prozent der Betroffenen das Weiterbildungsangebot annehmen würden, ergäbe sich daraus eine Nachfrage im Umfang

von 30 Millionen UE – mithin fast doppelt soviel wie die gesamte Leistung der vhs in 2018. Ganz offensichtlich birgt das großartige Chancen für vhs. Das gilt ausdrücklich auch für diejenigen, die in der Vergangenheit nicht bereits regelmäßig und in größerem Umfang im Bereich der Beruflichen Bildung engagiert waren.

260 vhs besitzen aktuell eine gültige AZAV-Trägerzulassung und erfüllen damit die Grundvoraussetzung zur Durchführung entsprechender Angebote. Geeignete Inhalte für AZAV-zertifizierte Maßnahmen müssen häufig nicht von Grund auf „neu erfunden werden“, zur modularen Einbindung bietet es sich an, auf vhs-Zertifikatssysteme oder anderes Bestandsmaterial zurückzugreifen. Zertifiziert werden können nicht nur Präsenzangebote, sondern auch hybride und rein digitale Formate. Wertvolle Synergieeffekte können auch durch „Entwicklungspartnerschaften“ mit benachbarten vhs erzielt werden.

Zeit für berufliche Bildung!

Ein großer Wettbewerbsvorteil der vhs gegenüber anderen Anbietern besteht in der regionalen Verankerung und dem Wissen um die Situation der jeweiligen Branchen im Umfeld. Das ist eine gute Basis zur Entwicklung einer bedarfsgerechten und passgenauen Angebotsstruktur in unmittelbarer Rückkopplung mit den betroffenen Betrieben. Dies ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, als dass die Betriebe abweichend von der sonstigen FbW-Logik direkt (zertifizierte) Maßnahmen „bestellen“ und ihre Kollegen dorthin schicken können. 

Über die unmittelbaren Chancen zur Durchführung dieser Qualifizierungsmaßnahmen hinaus bietet das Thema Anreize auch als übergreifendende „Eintrittskarte in den Firmenschulungsmarkt“. Dabei kann es sogar irrelevant sein, ob die eigentliche Weiterbildung im Einzelfall für die Beschäftigten überhaupt zustande kommt.

Schließlich bietet die praktische Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung ein dankbares Übungsfeld, um die eigene vhs für AZAV-Maßnahmen zu zertifizieren und so zur substanziellen Stärkung im Geschäftsfeld „Berufliche Bildung“ beizutragen. Angesichts dieser dreifachen Chance sollten interessierte vhs nicht zögern und rasch die notwendigen Schritte einleiten: Die Zeit dafür ist jetzt!

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