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Deutscher Volkshochschul-Verband

Findung und Erfindung der Wahrheit

Entsprechen Meldungen im Internet der Wahrheit oder sind sie Fake? Woran kann man dies erkennen? Müssen wir manchmal auch andere Perspektiven einnehmen, um zu verstehen, was wirklich wahr ist? Das Jugendprogramm der Rothenfelser Ostertagung ging dem Phänomen „Fake News“ und der Suche nach Wahrheit auf den Grund.

von Katharina Reinhold

Der Rahmen des Jugendprogramms

„Findung und Erfindung der Wahrheit“ war das Motto der Ostertagung auf Burg Rothenfels vom 25. März bis zum 2. April 2018. An der Tagung nehmen jährlich etwa 300 Menschen aller Generationen teil. Es gibt altersspezifische Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Das Jugendprojekt „Wahrheit“ fand von Montag bis Freitag jeweils von 10 bis 12 Uhr statt, von 14 bis 16 Uhr besprach sich die Redaktion der tagungseigenen Zeitung „BURG. Das einzig wahre Blatt“, an der die Jugendlichen beteiligt waren. Es nahmen 31 Jugendliche am Programm teil (18 weibliche, 13 männliche), die von elf Teamer*innen und dem Jugendbildungsreferent*innen begleitet wurden.

Ziele und Schwerpunkte

Ziele des Programms waren, das Thema „Wahrheit“ aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, den gesellschaftspolitischen Bezug zu diskutieren und es den Teilnehmenden zu ermöglichen, sich in Workshops und Diskussionen eine Meinung zu bilden. Durch inhaltliche Überschneidungen mit dem Thema der gesamten Ostertagung sollte zudem der Dialog zwischen den Generationen gefördert werden.

Das Interesse und die Beteiligung der Jugendlichen waren aufgrund der Aktualität der gewählten Schwerpunkte sehr hoch. Die partizipativen Gestaltungsmöglichkeiten des Programms kamen sehr gut an. Besonders schätzten die Jugendlichen, dass sie bei der inhaltlichen Gestaltung ein Mitspracherecht hatten.

Liane Kaiser, Projektverantwortliche
Was sind Fake News eigentlich?

Fake News erkennen

Was sind Fake News eigentlich? Dieser Frage näherten sich die Jugendlichen zu Beginn an – die Politik Donald Trumps fiel vielen dabei zuerst ein. Ein Video des Projekts „So geht Medien“ des Bayerischen Rundfunks gab Einblicke hinter die Kulissen von Fake News-Machern. Es entstand eine rege Diskussion über die eigenen Erfahrungen mit den unterschiedlichen Mechanismen und über die politische Bedeutung, v.a. in Bezug auf Chancen und Risiken bei der Meinungsbildung durch digitale Medien. Anschließend sollten die Jugendlichen bei einem „Fake-Quiz“ einschätzen, ob eine Meldung oder ein Foto ein Fake oder echt sei. Ein weiteres Video von „So geht Medien“ gab Tipps zum Erkennen von Fake News, die sogleich in der Praxis ausprobiert wurden. Die Jugendlichen beschäftigten sich abschließend mit aktuell kursierenden Fakes. Es war zum Teil sehr überraschend für die Jugendlichen, dass vermeintliche Fakes v.a. im Bereich der Bilder tatsächlich der Wahrheit entsprachen und umgekehrt, dass für wahr gehaltene Inhalte kreative Fake-Produkte waren. Spannend fanden sie darüber hinaus, aus welchem Kontext Bilder in Fake-Artikeln ursprünglich kommen und mit welcher Geschwindigkeit sich Falschmeldungen im Internet unreflektiert verbreiten.

Falschmeldungen in Umlauf bringen – ein Versuch

Ausgehend von den Ergebnissen des ersten Tages führten die Teilnehmer*innen am zweiten Tag einen Versuch durch. Sie entwickelten selbst Falschmeldungen und verbreiteten diese über Plakate, einen Zeitungsbericht in der tagungseigenen Zeitung und mündlich als Gerücht. So testeten sie, wie schnell sich diese Falschmeldungen verbreiten und welche Wege zur Wahrheitsfindung beschritten werden. Es ging dabei um burgpolitische Themen, z. B. erhöhte Tagungskosten aufgrund der Mauersanierung, um auch die älteren Tagungsteilnehmer*innen anzusprechen. Zur Aufklärung des Versuchs wurde am Folgetag in der Tagungszeitung eine Richtigstellung veröffentlicht. Außerdem gestalteten die Jugendlichen Plakate, auf denen sie die Falschmeldungen richtigstellten und Informationen zum Erkennen von Fake News und Hoaxes weitergaben.

Als Ergebnis des Versuchs stellte sich heraus, dass sich das mündliche Gerücht am schnellsten verbreitet hatte. Eine ähnliche Breitenwirkung erzielte der Artikel in der Tagungszeitung, über welchen bei Tisch oder in den Freiräumen rege diskutiert worden war. Lediglich über die Plakate war weniger diskutiert worden, da sie offensichtlich durch ihre Gestaltung (reißerische Überschrift, großes Bild, keine Belege oder Quellenangaben etc.) die Vermutung eines Fakes nahegelegt hatten.

Wahrheit – „Bullshit“ – Lüge: Ein Vortrag

Die Philosophieprofessorin Dr. Susanne Hahn aus Düsseldorf hielt einen Vortrag für alle Tagungsteilnehmenden, der sich aus philosophischer Perspektive den Themen Wahrheit, „Alternative Fakten“ und Meinungsbildung näherte. Sie arbeitete mit vielen Beispielen, sodass der abstrakte Inhalt auch für die jungen Teilnehmer*innen verständlich wurde.

Eine Wahrheit – oder viele? Filmgespräch

Die Jugendlichen schauten sich gemeinsam den Film „Jugend ohne Gott“ (2017) von Alain Gsponer an. Anstelle einer chronologischen Erzählweise folgt der Film dem Prinzip des Perspektivwechsels. Dieselben Ereignisse werden dreimal hintereinander erzählt, nur jeweils aus der Sicht eines anderen Protagonisten. Dabei werden der Handlung jeweils neue Informationen hinzugefügt, die erst zusammengenommen die ganze Geschichte ergeben. Anschließend diskutierten die Jugendlichen, dass es sich für eine gelungene Meinungsbildung über politische und gesellschaftliche Ereignisse lohnt, verschiedene Quellen heranzuziehen, vor allem auch klassische Medien (z.B. Zeitungen, Radio, Fernsehnachrichten), und sich nicht auf seine „Filterblase“ zu verlassen.

Rollenspiel: Perspektivwechsel

Am letzten Tag des Projekts wurde in einem Rollenspiel die Methodik des Perspektivwechsels nochmals aufgegriffen. Die Auswertung ergab, dass es nicht immer einfach ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, selbst wenn man unterschiedliche Kanäle dafür heranzieht. Davon ausgehend kamen die Teilnehmer*innen auf die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit des Erkennens der gänzlich objektiven Wahrheit zu sprechen.

Reflexion durch die Mitarbeit bei der Tagungszeitung

Die aktive Mitarbeit bei das Tagungszeitung „BURG. Das einzig wahre Blatt“ an den Nachmittagen förderte die Diskussion der Jugendlichen zum Thema „Wahrheit und Medien“. Außerdem setzten sie sich mit dem Begriff „Lügenpresse“ auseinander und vertieften ihr Wissen über die Möglichkeiten, den qualitativen Gehalt einer Meldung, sei es in Printmedien oder online, zu erkennen.

Kinderprogramm zum Thema „Wahrheit oder Lüge“

Neben dem Programm für Jugendliche ab 13 Jahren wurde auch mit den jüngeren Kindern in einer altersgerechten Methodik und Didaktik das Tagungsthema aufgegriffen. Der Schwerpunkt lag auf dem Thema „Wahrheit oder Lüge“, das spielerisch integriert wurde. Es wurden zum Beispiel kleine Clips nach dem Vorbild der ARD-Sendung „Dingsda“ über den Begriff „Wahrheit“ gedreht.

Fazit

Die Verantwortliche für das Projekt Liane Kaiser resümiert: „Das Interesse und die Beteiligung der Jugendlichen waren aufgrund der Aktualität der gewählten Schwerpunkte sehr hoch. Die partizipativen Gestaltungsmöglichkeiten des Programms kamen sehr gut an. Besonders schätzten die Jugendlichen, dass sie bei der inhaltlichen Gestaltung ein Mitspracherecht hatten.“

Auch die gute Mischung aus praktisch-kreativen und inhaltlich-diskursiven Angeboten und der Einsatz verschiedener Medien wie Videos, Film, Printmedien und Internet hat laut der Rückmeldung der Teilnehmenden sehr zur aktiven Beteiligung beigetragen.

Die Einbindung der Jugendprojekte in das Erwachsenenprogramm wurde von vielen Teilnehmenden positiv bewertet, da dies die generationenübergreifende Ausrichtung der Tagung verstärkte und die politische Dimension des Themas vertiefte.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Getty Images / clu
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