Inhalt anspringen

Deutscher Volkshochschul-Verband

Comic-Workshop zu Geschlechterrollen und Diskriminierung

Wie sehe ich Geschlechterrollen in Deutschland oder im Herkunftsland meiner Familie? Welche Erfahrungen habe ich mit Diskriminierung oder Zuschreibungen durch Dritte gemacht? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Jugendliche aus Schwerin im Rahmen eines Comic-Workshops. Die Cartoonistin Tuffix unterstützte sie dabei.

von Katharina Reinhold

Die Idee kam von Jugendlichen, die an der Stadtteil-Volkshochschule im Schweriner „Brennpunkt“-Quartier Mueßer Holz auf ihren Schulabschluss hinarbeiten. Sie erzählten im Kunstunterricht, dass sie gerne mal Comics zeichnen würden. Außerdem war im Unterricht immer wieder das „Kopftuch“ einiger Teilnehmerinnen Gesprächsthema. Daraufhin entwickelte die Volkshochschule den Workshop „Frauen und Männer in der Zuwanderungsgesellschaft“, bei dem die Jugendlichen sich kreativ mit dem Themenfeld auseinandersetzen konnten.

Comics als Verarbeitungsform

Die Psychologin und Cartoonistin Soufeina Hamed, alias „Tuffix“, konnte als Referentin gewonnen werden und gestaltete den ersten Workshoptag am 2. März 2020. Pädagogisch begleitet wurde sie dabei von einer Kunsterzieherin und vhs-Kursleiterin. Tuffix vermittelte den Jugendlichen zunächst Grundlagenwissen über Comics und stellte anschließend eine Auswahl ihrer eigenen Arbeiten vor. In Tuffix‘ Comics geht es häufig um Themen wie Identitätssuche, Rassismus und Islamophobie. Darüber kam sie dann auch mit den jugendlichen Teilnehmenden, die mehrheitlich eine Zuwanderungsgeschichte haben, ins Gespräch. Thema waren auch Geschlechterrollenbilder und Unterschiede in der Herkunfts- und in der Zuwanderungsgesellschaft. Durch die vielfältige Zusammensetzung der Gruppe kamen sehr unterschiedliche Perspektiven zur Sprache.

Anschließend waren die Jugendlichen an der Reihe, selbst ein eigenes Erlebnis, eine Erkenntnis oder eine Erfahrung in eine kleine Bildergeschichte, einen Comic, zu übersetzen. Gar nicht so leicht! Doch Tuffix konnte gute Tipps geben und die Teilnehmenden waren mit großem Einsatz dabei. In der Phase des Zeichnens tauschten die Jugendlichen sich mit den Workshopleiterinnen darüber aus, wie man Comics einsetzen kann, um etwas, das man erlebt hat, zu verarbeiten und damit anderen eine Botschaft zu senden und vielleicht gestärkt daraus hervorzugehen.

Spielverderber Corona

Leider machte die Covid-19-Pandemie der Seminarplanung einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich sollte das Projekt im Mai 2020 mit zwei weiteren Workshoptagen und spannenden Gästen fortgesetzt werden. Diese konnten aufgrund der Schließung der vhs Schwerin zwischen dem 16. März und dem 2. Juni 2020 nicht stattfinden. Ursprünglich war eine Lesung und Diskussion mit der Autorin Dr. Reyhan Sahin alias Lady Bitch Ray geplant, gefolgt von einem Workshoptag mit einer Lesung der Autorin Zana Ramadani zu „Sexismus in der islamischen und westlichen Welt“. Der Einsatz digitaler Methoden war vorab für die Maßnahme nicht geplant, das Team konnte das Konzept nicht ad hoc umstellen. „Dies haben wir später in anderen Projektanträgen geändert und dann digitale Varianten mitgedacht“, sagt die Projektverantwortliche und Leiterin der Schweriner Volkshochschule Susanne Kapellusch.

Nach der schrittweisen Wiedereröffnung der vhs ab 2. Juni 2020 passte die Kursleiterin die Konzepte an und lud die Jugendlichen am 17. und 18. Juni zu zwei weiteren Workshoptagen ein, um das Projekt zu einem erfolgreichen Ende zu führen. „Leider konnten pandemiebedingt nicht alle Teilnehmende des ersten Workshops mit dabei sein“, berichtet Susanne Kapellusch. „Es kamen stattdessen neue Teilnehmer*innen hinzu.“

Inhaltliche Vertiefung

Während der zwei Workshoptage im Juni arbeiteten die Jugendlichen inhaltlich und künstlerisch am Thema weiter. Sie setzten sich mit der Gleichberechtigung als universellem Menschenrecht und der Geschlechtergerechtigkeit in Artikel 3 des Grundgesetzes auseinander. Themen wie Gender Mainstreaming, Feminismus, sexuelle Orientierung und die Ehe für alle wurden diskutiert. Basis hierfür waren Bildungsmaterialien, Sach- und literarische Texte sowie Musikstücke – zum Beispiel Rap-Songs von Lady Bitch Ray, die ursprünglich als Referentin eingeplant gewesen war. So konnte sie zwar nicht live, aber immerhin durch ihre Werke in Form von Videos eine Rolle spielen und Anlass für Gespräche bieten.

Die Jugendlichen waren sehr froh, dass sie sich nach der Phase der corona-bedingten Schließung der vhs wiedertreffen und sich mit den Themen und ihren Comics weiter beschäftigen konnten.

Susanne Kapellusch, Projektverantwortliche und Leiterin der Volkshochschule „Ehm Welk” in Schwerin

Ziele und Ergebnisse

Das Projekt zielte darauf ab, die Jugendlichen mittels einer für sie interessanten Kunstform, dem Comic, an das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit heranzuführen. Sie sollten auch zur Reflektion ihres eigenen Rollenverständnisses angeregt werden und dazu, sich mit verschiedenen Positionen, die in der Gesellschaft zu diesem Thema existieren, auseinanderzusetzen.

„Das künstlerisch-kreative Schaffen regte die Jugendlichen zum Austausch über diese komplexen Themen an. Sie haben erlebt, dass ihnen die Verarbeitung in Bildern und Texten hilft, ihren eigenen Standpunkt zu entwickeln und zu begründen“, berichtet Susanne Kapellusch. „Wir wollten mit dem Workshop auch einen Beitrag zur Integration der Teilnehmenden an der vhs und im Stadtteil leisten“. Aus ihrer Sicht war der Workshop ein Erfolg. Das zeigen auch die künstlerischen Produkte: Es entstanden vielfältige und ausdrucksstarke Comics, Collagen und Texte.

Perspektiven

Die Workshops stießen bei den Jugendlichen auf großes Interesse, das Feedback war sehr gut. „Die Tatsache, dass eine Cartoonistin mit Migrationshintergrund aus Berlin ‚extra’ zu den Teilnehmer*innen nach Schwerin kam, hat die Jugendlichen ebenso beeindruckt wie das, was sie vermittelte. Sie fänden ähnliche Angebote an der vhs super“, erzählt Susanne Kapellusch. Es war zunächst geplant, die Veranstaltungen mit Lady Bitch Ray und Zana Ramadani nachzuholen, dies hat jedoch leider pandemiebedingt nicht geklappt. 

„Bei Veranstaltungen werden digitale Formate und Alternativen aufgrund der Erfahrungen während der Pandemie inzwischen stets mitgedacht“, berichtet Susanne Kapellusch. Es gab außerdem mehrere vhs.cloud-Schulungen für Kursleitende, doch die Nutzung sei noch recht zaghaft. „Im Fachbereich Schulabschüsse haben zwar alle Teilnehmenden Zugang zur vhs.cloud, doch viele nur über ihre Smartphones, weil es zu Hause keinen Laptop oder PC gibt. Das macht es nicht gerade einfacher“, so Kapellusch.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin
  • Anne Jüngling / VHS Schwerin