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Volkshochschulen sind bedeutende Anbieter beruflicher Weiterbildung. Überall in Deutschland vermitteln sie Menschen fachübergreifende Kompetenzen („Future Skills) für ihr berufliches Weiterkommen und stärken so auch die regionale Wirtschaft. Sie helfen bei der Ausbildung von Fachpersonal für Mangelberufe. Sie bilden Personen weiter, die von Stellenabbau betroffen sind und sich neu orientieren müssen. Lesen Sie im Jahr 2025 auf dieser Seite, was Volkshochschulen für Unternehmen, Beschäftigte und Arbeitssuchende in Deutschland leisten!
Azubi aus Kirgistan für den Bayerischen Wald
Vhs im Landkreis Cham bereitet junge Leute schon im Heimatland vor und hilft ihnen beim Einleben
Wer mit achtzehn oder neunzehn aus der kirgisischen Großstadt Osch in den Bayerischen Wald zieht, sollte wissen, was ihn oder sie erwartet. „Mit Deutschland verbinden die meisten jungen Leute in Kirgistan Berlin“, sagt Aleksandra Sikorska von der vhs im Landkreis Cham. Ihre Stadt liegt malerisch am „Regenbogen“, wie die Windung, die der Fluss Regen beschreibt, hier liebevoll doppeldeutig genannt wird. Das weitere Umland ist sanfte Hügellandschaft, München und Prag sind etwa gleich weit weg. Es ist besser, das schon vorab zu klären.
Erwartungsmanagement ist eine der vielen Aufgaben, die Aleksandra Sikorska und ihr Projektteam übernehmen, damit die jungen Frauen und Männer aus Zentralasien nicht nur in die oberpfälzische Provinz kommen, sondern auch dort bleiben. 66 von ihnen machen derzeit im Landkreis Cham Ausbildungen. Lediglich vier junge Kirgis*innen haben ihren Aufenthalt abgebrochen. Die anderen haben sich auf das Leben in der ländlichen Welt nahe der tschechischen Grenze eingestellt.
Bevor die vhs ihre Initiative für die aktive Integration junger Auszubildender aus Kirgistan begann, war die Erfolgsquote bei der Vermittlung junger Menschen aus dem Ausland deutlich geringer. Als 2023 die Agentur für Arbeit junge Leute aus Zentralasien in den Landkreis holte, erwies sich schnell, dass für eine erfolgreiche Ausbildung in Deutschland mehr Vorbereitung im Herkunftsland und mehr Begleitung nach der Ankunft gebraucht wird. Nun besuchen interessierte junge Leute bereits vor der Abreise einen Sprachkurs, der Deutschkenntnisse mindestens auf B1-Niveau vermittelt, und sie werden eingehend über Gesellschaft, Kultur und Lebensweise in Deutschland informiert – bis hin zur Vielfalt der Mundarten: „Auch ein gutes Hörverständnis im Hochdeutschen hilft in der Oberpfalz nicht immer weiter“, sagt Aleksandra Sikorska.
Das Interesse an einer Ausbildung in Deutschland ist groß – und in Unternehmen im Landkreis Cham sind die jungen Leute hoch willkommen
Die Volkshochschule und die Arbeitsagentur in Cham haben eine Vereinbarung mit der kirgisischen Regierung getroffen und kooperieren eng mit allgemeinbildenden Schulen in Osch und Bischkek. Das Interesse der Schüler*innen und Absolvent*innen an einer Ausbildung in Deutschland ist groß: Der Arbeitsmarkt in Kirgistan bietet bei weitem nicht für alle gute Jobchancen, und zahlreiche junge Kirgis*innen wollen nach Zentral- und Westeuropa: um einen Beruf zu lernen, Geld zu verdienen, dann vielleicht auch zu studieren. Aus der älteren Generation gingen viele als Arbeitsmigrant*innen nach Russland. Für die Jungen ist Putins Diktatur, die bereits im vierten Jahr einen brutalen Eroberungskrieg gegen ein Nachbarland führt, nicht mehr attraktiv.
In Unternehmen im Landkreis Cham sind die jungen Leute hoch willkommen: als Auszubildende für Gesundheits- und Pflegeberufe, künftige Industriemechaniker*innen oder künftige Fachkräfte für Hotels und Gastronomie. Die Ausbildungsplätze werden von der Agentur für Arbeit vermittelt. Das Projektteam an der vhs im Landkreis Cham unterstützt die jungen Erwachsenen bei ihren Bewerbungen und begleitet sie auf Wunsch auch zu Vorstellungsgesprächen. Nach Beginn der Ausbildung hält das Team weiter Kontakt zu den Unternehmen und den Berufsschulen der jungen Kirgis*innen. Denn gerade der schulische Teil der Ausbildung ist für die Teilnehmer*innen des Programms sprachlich und fachlich herausfordernd.
Die Mitarbeiter*innen des Projekts navigieren die jungen Leute auch durch die immer noch komplizierten amtlichen Formalitäten bei der Zuwanderung nach Deutschland. Aber mindestens genauso wie Durchblick und Organisationstalent ist bei der Betreuung der jungen Zugewanderten psychologisches Feingefühl gefragt. Bei der Abreise nach Deutschland lassen die Achtzehn- oder Neunzehnjährigen ihre Familien und Freunde zurück. Aleksandra Sikorska und ihr Team fühlen sich verantwortlich dafür, dass aus dem anfänglichen Alleinsein am neuen Wohnort keine Einsamkeit wird. Erst einmal erklären sie den Neuankömmlingen, dass sie Probleme aller Art offen ansprechen können. „Die meisten sind dafür anfangs zu schüchtern“, erklärt die Projektleiterin. „Und sie fänden es unhöflich, darauf hinzuweisen, dass etwas nicht gut läuft“.
Der Mut, über Schwierigkeiten beim Einleben zu sprechen, lohnt sich aber nur, wenn es auch Wege in die lokale Gesellschaft gibt und die Möglichkeit, dort einen Platz zu finden. Die Inhaber*innen der Betriebe, die Auszubildende aus Kirgistan beschäftigen, bemühen sich oft selbst, die jungen Leute ins Leben am Ort einzubeziehen und kein Heimweh aufkommen zu lassen. Die Familie eines Bäckers in Roding organisiert für ihre Azubi Ausflüge, und das Hotel Ulrichshof in Cham-Rimbach richtete eine Silvesterfeier aus. Die jungen Leute sind auch reisefreudig und nutzen ihre Freizeit, um Deutschland oder europäische Nachbarländer zu erkunden.
Vor Ort sorgt die Volkshochschule für ein Freizeitprogramm mit Probetrainings bei Sportvereinen oder auch beim Kanuclub, einem Stammtisch und einem Besuch bei der Freiwilligen Feuerwehr. Als der anstand, hatte ein junger Mann aus Osch sich allerdings bereits selbst dort vorgestellt. Er gehört jetzt schon länger zu dem lebenswichtigen Brandschutzteam – angekommen im Landkreis Cham!
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Über die Storytelling-Kampagne
#zukunftsort_vhs: Zusammen in die Arbeitswelt von morgen!
Spannende Aufgaben, mehr Verantwortung und viel weniger Routine: Diese Vorteile haben Menschen in einer digitalisierten Arbeitswelt, in der mehr und mehr mechanische Verrichtungen von Robotern erledigt werden. Menschen übernehmen auf allen Ebenen im Unternehmen das, was Intuition und Empathie erfordert. Selbstbestimmtes und kreatives Arbeiten ist nicht mehr das Privileg der höheren Etagen. Hierarchien am Arbeitsplatz werden flacher, Arbeitsprozesse geschmeidiger, und der gegenseitige Respekt wächst, wenn gute Ideen unabhängig von Profil und Stellung ihrer Urheber*innen leicht den Weg durch alle Schleusen im Betrieb finden. Kollektive Intelligenz wird zur kritischen Masse für die Entstehung neuer Produkte und die Entwicklung kluger Strategien.
Arbeit könnte also in Zukunft weit mehr Menschen weit mehr Chancen auf Selbstverwirklichung bieten. Das bringt aber auch neue Herausforderungen, insbesondere an die Flexibilität und Belastbarkeit jede*r Einzelnen. Und: Um von den Vorteilen der agilen Arbeitswelt profitieren zu können, müssen wir alle dazulernen. Dabei reicht es nicht, technologisches Know-how zu erwerben. Immer stärker gefragt sind überfachliche Kompetenzen: die Fähigkeit, Probleme selbständig zu lösen, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, gute Zusammenarbeit in interkulturellen Teams – und natürlich Sicherheit im Umgang mit digitalen Tools, Daten und Information. Der Ort, um diese Future Skills zu erwerben, ist die Volkshochschule. In rund 850 Städten und Gemeinden von Aurich bis Zwickau bringt die vhs Menschen voran.
Rückblick 2024
#zukunftsort_vhs – Volkshochschule als Ort der Demokratie
Das erste Kapitel der Kampagne „zukunftsort_vhs“ versammelte unter dem Motto „Volkshochschule als Ort der Demokratie“ rund 30 Erfolgsgeschichten aus Volkshochschulen, die eindrücklich zeigen, wie vor Ort demokratische Werte vermittelt, Resilienz gestärkt und Perspektiven geschaffen werden können.