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Volkshochschulen sehen sich durch ihren öffentlichen Bildungsauftrag verpflichtet, die Bevölkerung zu befähigen, demokratische Positionen zu entwickeln und für diese einzutreten, undemokratische Positionen zu erkennen und mit Widerspruch und Differenzen umzugehen. Dabei wahren sie parteipolitische und religiöse Neutralität. Allerdings ergreifen Volkshochschulen stets Partei für die Demokratie im Sinne unseres Grundgesetzes und der Menschenrechte.
Politische Bildung mit Rückgrat – auch unter Druck
Angesichts der Zunahme von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen gruppenbezogener Diskriminierung in unserer Gesellschaft sehen sich auch Volkshochschulen mit der Ablehnung von demokratischen und humanistischen Werten konfrontiert. Eine Bestandsaufnahme zu entsprechenden Vorkommnissen an Volkshochschulen und anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen wurde im März 2025 im Rahmen des Projektes „Brandmauern im Bildungswesen“ (Öffnet in einem neuen Tab) der Universität Hamburg veröffentlicht. Volkshochschulen bundesweit berichten von menschenfeindlichen und/oder extremistischen Einwürfen mit denen Bildungsveranstaltungen gestört werden, aber auch von Versuchen der Einflussnahme durch rechtsextreme Akteure auf ihr Programmangebot.
Volkshochschulen haben unveränderlich das Ziel und den Auftrag, „Weiterbildung für alle“ anzubieten. Sie sind offen für alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung oder Identität, sozialem Status oder Bildungsabschluss, Religion oder Weltanschauung. Einerseits bietet gerade diese grundlegende Offenheit der vhs Angriffsflächen für populistische, extremistische und antidemokratische Kräfte. Andererseits steckt in ihr das Potenzial, den Menschen Kompetenzen zu vermitteln, die für das Zusammenleben in unserer Demokratie essenziell sind. Denn die Fähigkeit, Meinungsvielfalt in unserer pluralistischen Gesellschaft auszuhalten und mit Widerspruch umzugehen, gehört zu den Kernanliegen der politischen Bildung an Volkshochschulen.
Forum des Dialogs
Das Ziel, in Kursen und Veranstaltungen – insbesondere der politischen Bildung – zu zeigen, wie Kontroversen ausgehalten und faire Kompromisse ausgehandelt werden können, wird in Zeiten politischer Polarisierung für Volkshochschulen jedoch oftmals zur Herausforderung. Für die vhs-Mitarbeiter*innen vor Ort stellt sich der Umgang mit der Meinungsvielfalt ihrer Teilnehmenden oft als eine Gratwanderung dar: Die vhs muss als Ort der Meinungsvielfalt und als Forum des Dialogs zwischen Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen erhalten bleiben. Gleichzeitig müssen Kursleiter*innen, Programmverantwortliche und vhs-Leitungen einer offensiv bekundeten Ablehnung humanistischer Grundwerte oder der Herabwürdigung Anderer durch vhs-Teilnehmer*innen entschieden entgegentreten.
Neutral aber mit Haltung
Richtig ist: Aus dem öffentlichen Auftrag der Volkshochschulen erwächst der Anspruch innerhalb des Spektrums demokratischer Positionen ein parteipolitisch neutraler Ort in der Kommune zu sein. Positionen zu widersprechen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verletzen, steht aber nicht im Gegensatz zu Neutralität. Den Grundpfeilern unserer Demokratie stehen Volkshochschulen nicht „neutral“ gegenüber. Auch ein juristisches Gutachten der Universität Mainz (Öffnet in einem neuen Tab) stellte im Jahr 2024 unmissverständlich fest: „Politische Bildung und Demokratiearbeit sind stets auf ethische Werte und Verfassungsziele ausgerichtet und deshalb nie ‚neutral‘“.
Dennoch wird die Bildungsarbeit der Volkshochschulen von verschiedenen Akteuren, derzeit oftmals aus dem rechtspopulistischen Milieu, unter Verweis auf den staatlichen Neutralitätsanspruch immer wieder öffentlich in Frage gestellt. Das Neutralitätsgebot wird dabei strategisch instrumentalisiert, beispielsweise wenn einzelne Bildungsangebote in vhs-Programmen als nicht neutral oder unausgewogen kritisiert werden. Damit wird gezielt versucht, Programmplanende zu verunsichern oder auch eventuelle inhaltliche Kritik an den eigenen Positionen im Voraus zu delegitimieren. Auch hier gilt jedoch: Eine sachliche Auseinandersetzung mit Inhalten, auch solchen von Parteien oder anderen gesellschaftlichen Akteuren, im Rahmen von Bildungsveranstaltungen widerspricht nicht der parteipolitischen Neutralität. Verfassungsfeindliche oder antidemokratische Positionen und insbesondere die Herabwürdigung oder Ausgrenzung von Menschen dürfen im Kontext einer sachlichen Auseinandersetzung so benannt werden – dies gilt auch für Positionen, die von demokratisch gewählten Parteien vertreten werden.
Das Kontroversitätsgebot
Volkshochschulen orientieren sich in ihrer (politischen) Bildungsarbeit an den Prinzipien des Beutelsbacher Konsens. Neben dem Überwältigungsverbot und der Teilnehmendenorientierung ist dort das Kontroversitätsgebot als Prinzip der politischen Bildung verankert. Es besagt, dass in Bildungsangeboten kontrovers erscheinen muss, was in Wissenschaft und Politik kontrovers diskutiert wird. Extremistische, verschwörungsideologische oder demokratiefeindliche Gruppen nutzen das Kontroversitätsgebot als Einfallstor für ihre Forderung nach gleichberechtigter Berücksichtigung ihrer Inhalte in Bildungsveranstaltungen. Das Kontroversitätsgebot zielt ab auf kontroverse Diskurse und Debatten – es besagt jedoch nicht, dass Falschinformationen oder antidemokratische Positionen als legitime Positionen gleichberechtigt darzustellen sind.
Ziel ist immer politische Urteilskraft
Zwischen Neutralität und Haltung gilt es, Menschen mit verlässlichen Informationen zu versorgen und gleichzeitig eine pluralistische Palette an Meinungen abzubilden. In seiner Rede zum 100-jährigen Jubiläum der Volkshochschulen (Öffnet in einem neuen Tab) in öffentlicher Verantwortung formulierte der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle im Jahr 2019: „Es muss (…) jederzeit deutlich gemacht werden, dass es in der politischen Bildung nicht um die Pflege von Gesinnungen, sondern um die Entwicklung von politischer Urteilskraft geht: Entscheidend ist das Einüben der Unterscheidung von Fakten und Wertungen.“ Diese Fähigkeit muss vermittelt, erlernt und gelebt werden, unbedingt auch in den Angeboten der (politischen) Bildung an vhs.
Praxisbeispiele aus Volkshochschulen
Stellungnahmen und Materialien
Im Rahmen seiner bundesverbandlichen Tätigkeit setzt sich der DVV auf politischer Ebene für die Interessen der Volkshochschulen als Träger der Demokratieförderung und politischen Bildung ein. Nachfolgend finden Sie wichtige aktuelle Stellungnahmen und Materialien.
